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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Südausbreitung von Sprechern sinoti­betischer Sprachen eliminiert wurden. Als am engsten mit dem Austronesischen verwandte Sprachfamilien gel­ten Tai-Kadai, Austroasiatisch und Miao-Yao. Während austronesische Sprachen in China dem Ansturm chine­sischer Dynastien nicht standhielten, konnten sich eini­ge ihrer verwandten Sprachen (ersten oder zweiten Gra­des) offenbar behaupten.
    Wir haben nun die ersten Phasen der austronesischen Expansion über eine Entfernung von 4000 Kilometern von der Küste Südchinas über Taiwan und die Philippi­nen bis nach West- und Zentralindonesien verfolgt. Im Zuge dieser Ausbreitung nahmen die Austronesier sämt­liche bewohnbaren Gebiete der Inseln, auf die sie vor­drangen, in Besitz, von den Küstengebieten bis tief ins Innere und vom Tiefland bis zu den Gebirgen. Bis 1500 v. Chr. waren sie bis zur ostindonesischen Insel Halma­hera vorgedrungen, wie ihre typischen archäologischen Hinterlassenschaften – insbesondere Schweineknochen und schlichte Keramik mit rötlichem Tonschlicker – belegen. Damit lag die Westspitze der riesigen, gebir­gigen Insel Neuguinea nur noch rund 300 Kilometer entfernt. Würden sie auch diese Insel überrennen, wie sie es schon mit den großen, gebirgigen Inseln Celebes, Borneo, Java und Sumatra getan hatten?
    Daß es nicht dazu kam, zeigt ein Blick in die Gesichter der meisten modernen Neuguineer, und auch gene­tische Untersuchungen liefern den Beweis. Mein Freund Wiwor und alle anderen Bewohner des neuguineischen Hochlands unterscheiden sich deutlich von Indonesiern, Filipinos und Südchinesen durch ihre dunklere Hautfar­be, ihr krauses Haar und ihre Gesichtsform. Die meisten Tieflandbewohner aus dem Inneren Neuguineas und von der Südküste sehen den Hochlandbe wohnern ähnlich, sind jedoch meist von größerem Wuchs. Genetikern ge­lang es bei Untersuchungen nicht, austronesische Gen­marker in Blutproben von neuguineischen Hochland­bewohnern nachzuweisen.
    Bei den Völkern der neuguineischen Nord- und Ost­küste sowie des Bismarckarchipels und der Salomonin­seln nördlich und östlich von Neuguinea ist das Bild dagegen komplizierter. Vom Aussehen her stehen sie zwischen Hochlandbewohnern wie Wiwor und Indo­nesiern wie Achmad, wenngleich die Ähnlichkeit mit Wiwor im Durchschnitt erheblich größer ist. So hat bei­spielsweise mein Freund Sauakari, der von der Nordkü­ste stammt, gewelltes Haar, das irgendwo in der Mitte zwischen Achmads glattem und Wiwors krausem Haar einzuordnen wäre, und eine etwas hellere Hautfarbe als Wiwor, aber eine viel dunklere als Achmad. Genetischen Analysen zufolge sind die Bewohner des Bismarckar­chipels und der Salomoninseln ebenso wie Neuguine­er von der Nordküste etwa zu 15 Prozent Austronesier und zu 85 Prozent neuguineische Hochlandbewohner. Daraus läßt sich schließen, daß die Austronesier Neu­guinea und die umliegenden Inseln zwar erreichten, es aber nicht schafften, bis ins Inselinnere vorzudringen, sondern sich statt dessen mit den älteren Inselbewoh­nern an der Nordküste und auf den Nachbarinseln ver­mischten.
    Die modernen Sprachen erzählen im Grunde die glei­che Geschichte, liefern aber noch weitere Details. In Ka­pitel 14 hatte ich ja bereits erwähnt, daß die meisten neu­guineischen Sprachen, die sogenannten Papua-Sprachen, mit keiner anderen Sprachfamilie der Welt verwandt sind. Sämtliche Sprachen, die in den Bergen Neugui­neas, im gesamten südwestlichen und südlichen Tiefland einschließlich der Küstenregionen sowie im nördlichen Inselinneren gesprochen werden, sind Papua-Sprachen. Austronesische Sprachen werden dagegen nur in einem schmalen Streifen entlang der Nord- und Südostküste gesprochen. Zu ihnen zählen auch die meisten Sprachen des Bismarckarchipels und der Salomoninseln, während Papua-Sprachen nur auf wenigen dieser Inseln verein­zelt gesprochen werden.
    Die austronesischen Sprachen des Bismarckarchipels, der Salomoninseln und des neuguineischen Küstenge­biets bilden eine eigene Unter-Unter-Untergruppe mit der Bezeichnung Ozeanisch, die mit der Unter-Unter-Untergruppe von Sprachen, die auf Halmahera und an der Westseite Neuguineas gesprochen werden, verwandt ist. Diese sprachliche Verwandtschaft bestätigt nur, was schon der Blick auf die Landkarte vermuten läßt, daß nämlich Austronesischsprecher den Weg nach Neu­guinea und zu den umliegenden Inseln über Halmahe­ra nahmen. Merkmale der austronesischen und Papua-Sprachen und ihrer Verbreitung in

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