Arm und Reich
deren bisherige Bewohner wahrscheinlich obendrein miteinander verwandt waren. Während in Indonesien noch Jäger und Sammler lebten, trieben die Bewohner Neuguineas bereits Landwirtschaft und hatten viele der üblichen Begleiterscheinungen hervorgebracht (hohe Bevölkerungsdichte, Abwehrkräfte gegen Krankheiten, fortgeschrittene Technik usw.). So kam es, daß die austronesische Expansion die ursprünglichen Indonesier hinwegfegte, in der Region von Neuguinea jedoch mehr oder weniger steckenblieb, so, wie es ihr schon im Gebiet der Landwirtschaft treibenden austroasiatischen und Tai-Kadai-Völker in Südostasien ergangen war.
Bis hierher haben wir die austronesische Expansion durch Indonesien bis an die Strände Neuguineas und des südostasiatischen Festlands verfolgt. In Kapitel 18 werden wir sehen, wie sie sich über den Indischen Ozean nach Madagaskar fortsetzte, und in Kapitel 14 erfuhren wir bereits, daß ökologische Hindernisse Austronesier davon abhielten, im Norden und Westen Australiens heimisch zu werden. Der letzte Akt der austronesischen Expansion begann, als die Lapita-Töpfer an den Salomonen vorbei ostwärts in den Pazifik hineinfuhren und dort eine Inselwelt in Besitz nahmen, die noch kein Mensch vor ihnen betreten hatte. Um 1200 v. Chr. tauchten Lapita-Tonscherben, das vertraute Dreigespann aus Schweinen, Hühnern und Hunden sowie andere typische archäologische Hinterlassenschaften der Austronesier auf den Fidschiinseln, im Samoa- und Tongaarchipel auf, über tausend Meilen östlich der Salomonen. In den ersten Jahrhunderten nach der Zeitwende traten die meisten dieser Markenzeichen (mit der bemerkenswerten Ausnahme von Töpferwaren) auch auf den Inseln Ostpolynesiens, insbesondere auf den Gesellschafts- und Marquesasinseln, in Erscheinung. Weitere ausgedehnte Kanureisen brachten austronesische Siedler im Norden nach Hawaii, im Osten zur Pitcairn- und zur Osterinsel und im Südwesten nach Neuseeland. Die Ureinwohner der meisten dieser Inseln sind heute Polynesier, also direkte Nachfahren der Lapita-Töpfer. Ihre Sprachen sind eng mit denen der neuguineischen Region verwandt, und ihre Hauptanbaupflanzen gehören zum austronesischen »Kulturbündel« aus Taro, Jamswurzel, Banane, Kokosnuß und Brotfrucht.
Mit der Inbesitznahme der Chathaminseln vor Neuseeland um 1400 n. Chr., also knapp hundert Jahre vor dem Auftauchen europäischer »Entdeckungsreisender« war die Entdeckung des Pazifiks durch Asiaten endlich abgeschlossen. Ihre jahrzehntausendelange Entdeckertradition hatte begonnen, als Wiwors Vorfahren über Indonesien nach Neuguinea und Australien vordrangen. Sie endete erst, als es nichts mehr zu entdecken gab, weil nahezu jede bewohnbare Pazifikinsel in Besitz genommen war.
Für jeden, der sich für die Weltgeschichte interessiert, sind die Gesellschaften Ostasiens und des Pazifiks sehr aufschlußreich, da sie viele Beispiele für den prägenden Einfluß der Umwelt auf den Gang der Geschichte liefern. Je nach geographischer Herkunft unterschieden sich die Völker Ostasiens und des Pazifiks in ihrem Zugang zu domestizierbaren Wildpflanzen und -tieren sowie in der Intensität ihres Kontakts zu anderen Völkern. Ein ums andere Mal verdrängten Völker, die im Besitz der Voraussetzungen für die Landwirtschaft waren und deren geographische Heimat die Bekanntschaft mit technischen Neuerungen aus anderen Regionen begünstigte, andere Völker, denen es daran mangelte. Und immer wieder war zu beobachten, daß sich die Nachkommen einer Welle von Kolonisten, die in Regionen mit unterschiedlichen Umweltbedingungen geschwappt war, je nach der ökologischen Beschaffenheit des neuen Lebensraums höchst unterschiedlich entwickelten. So haben wir etwa erfahren, daß die Südchinesen die Landwirtschaft und verschiedene technische Errungenschaften eigenständig hervorbrachten, die Schrift und weitere Techniken sowie politische Strukturen aus Nordchina übernahmen und in der Folge Südostasien und Taiwan unter weitgehender Verdrängung der vorherigen Bewohner besiedelten. Von den Nachfahren beziehungsweise Verwandten jener bäuerlichen Kolonisten aus Südchina kehrten die Yumbri in den Regenwäldern von Nordostthailand und Laos zur Jagd- und Sammelwirtschaft zurück, während enge Verwandte der Yumbri, die Vietnamesen (Sprecher einer Sprache der gleichen Unter-Untergruppe der austroasiatischen Sprachfamilie), im fruchtbaren Delta des Roten Flusses
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