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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Verbreitungsgebiet auf einen klei­nen Teil der Anden und die Küste Perus beschränkt war. Zwar diente es als Fleisch-, Woll- und Fell-Lieferant so­wie als Lasttier, es ließ sich aber nicht melken, trug nie­mals einen Reiter, zog weder Karren noch Pflug, spen­dete keine Energie und fand auch keine kriegerische Verwendung.
    Diese Unterschiede zwischen eurasischen und india­nischen Gesellschaften sind von enormer Tragweite. Sie rühren im wesentlichen von dem Aussterben (der Aus­rottung?) der meisten großen Säugetierarten in Nord- und Südamerika am Ende der letzten Eiszeit her. Wä­ren die amerikanischen Großsäuger nicht ausgestorben, hätte die jüngere Geschichte einen ganz anderen Verlauf nehmen können. Als Cortés und seine Schar zerlumpter Glücksritter im Jahr 1519 an der Küste Mexikos landeten, wären sie womöglich von Tausenden aztekischer Kaval­leristen auf heimischen Pferden ins Meer zurückgejagt worden. Statt von eingeschleppten Pocken dahingerafft zu werden, hätten die Azteken vielleicht die Spanier mit amerikanischen Krankheitserregern, gegen die sie selbst resistent waren, infiziert und auf diese Weise ins Jenseits befördert. Womöglich hätten auf tierischer Muskelkraft basierende amerikanische Zivilisationen selbst Konqui­stadoren ausgeschickt und in Europa Angst und Schrecken verbreitet. Dieser hypothetische Lauf der Dinge war jedoch aufgrund des massenhaften Artensterbens, das sich vor vielen Jahrtausenden in der Neuen Welt ereig­nete, von vornherein ausgeschlossen.
    Durch das Verschwinden zahlreicher Säugetierarten in Nord- und Südamerika schnitt Eurasien im Vergleich sehr viel besser ab. Die meisten Domestikationskandi­daten kamen als potentielle Haustiere aus diesem oder jenem von einem halben Dutzend Gründen (Kapitel 8) nicht in Frage. So besaß Eurasien am Ende 13 große Haustierarten, Amerika dagegen nur eine einzige, die obendrein ein recht kleines Verbreitungsgebiet hatte. In beiden Hemisphären gab es daneben domestizier­te Vögel und Kleinsäugetiere – in Nord- und Südame­rika zählten dazu der Truthahn, das Meerschweinchen und die Moschusente (mit lediglich lokaler Verbreitung) und der Hund (größeres Verbreitungsgebiet), in Eura­sien Huhn, Gans, Ente, Katze, Hund, Kaninchen, Ho­nigbiene, Seidenraupe und einige weitere Arten. Die Be­deutung all dieser kleinen domestizierten Arten war je­doch verschwindend gering verglichen mit den großen Säugetieren.
    Eurasien und Nord- und Südamerika unterschieden sich auch im Hinblick auf die Erzeugung pflanzlicher Nahrung voneinander, wenngleich der Unterschied hier weniger ausgeprägt war als bei tierischer Nahrung. In Eurasien war die Landwirtschaft im Jahr 1492 weit ver­breitet. Nur in wenigen Gebieten lebten noch Jäger und Sammler, die weder Anbaupflanzen noch Haustiere be­saßen. Hierzu zählten die Ainu im Norden Japans, einige rentierlose sibirische Völker und kleinere Jäger-Sammler-Gruppen in den Wäldern Indiens und Südostasiens, die mit ihren bäuerlichen Nachbarn im Handelsaustausch standen. Eine Reihe weiterer eurasischer Gesellschaf­ten, insbesondere die Hirtenvölker Zentralasiens und die rentierhaltenden Lappen und Samojeden in den eu­rasischen Polargebieten, besaßen zwar Haustiere, trie­ben aber wenig oder gar keinen Ackerbau. Praktisch alle übrigen eurasischen Gesellschaften kannten sowohl Ackerbau als auch Viehzucht.
    Auch in Nord- und Südamerika wurde vielerorts Land­wirtschaft betrieben, doch verglichen mit Eurasien war ein viel größerer Teil des Landes von Jägern und Samm­lern bewohnt. Zu den landwirtschaftslosen Regionen zählten der gesamte nördliche Teil Nordamerikas, der südliche Teil Südamerikas, die kanadische Prärie und der gesamte nordamerikanische Westen mit Ausnahme kleinerer Gebiete im Südwesten der USA mit Bewässe­rungslandwirtschaft. Bemerkenswerterweise finden wir unter den Gebieten ohne präkolumbianische Landwirt­schaft auch jene Regionen, die heute zu den fruchtbarsten Anbau- und Weideflächen Nord- und Südamerikas zäh­len: die Pazifikstaaten der USA, den kanadischen Wei­zengürtel, die argentinische Pampa und Teile Chiles mit mediterranem Klima. Daß es dort früher keine Land­wirtschaft gab, ist allein auf den örtlichen Mangel an do­mestizierbaren Wildpflanzen und -tieren sowie auf geo­graphische und ökologische Barrieren zurückzuführen, die verhinderten, daß Kulturpflanzen und die wenigen Haustierarten aus anderen Teilen Nord- und

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