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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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transpor­tieren. Auch in der Töpferei und der Uhrenherstellung gewann das Rad in Eurasien große Bedeutung. All diese Verwendungszwecke waren den Bewohnern Nord- und Südamerikas fremd; nur in Keramikgegenständen aus Mexiko, die als Spielzeug dienten, tauchte das Rad über­haupt auf. – Das verbleibende Gebiet der Technik, das Erwähnung verdient, ist die Seeschiffahrt. In vielen eu­rasischen Gesellschaften wurden große Segelschiffe ge­baut, von denen einige sogar gegen den Wind segeln und Ozeane überqueren konnten, ausgerüstet mit Sex­tanten, Magnetkompassen und Kanonen. In puncto Fas­sungsvermögen, Geschwindigkeit, Manövrierfähigkeit und Seetüchtigkeit waren diese eurasischen Schiffe den Flößen, die im Handel zwischen den fortgeschritten­sten Gesellschaften der Neuen Welt in den Anden und in Mesoamerika eingesetzt wurden, haushoch überle­gen. Die indianischen Flöße fuhren vor dem Wind her entlang der Pazifikküste. Für Pizarro war es auf seiner ersten Reise nach Peru ein Kinderspiel, ein solches Floß mit seinem Schiff einzuholen und aufzubringen.
    Abgesehen von Krankheitserregern und technischem Entwicklungsstand unterschieden sich die eurasischen und indianischen Gesellschaften auch in der politi­schen Organisation. Im ausgehenden Mittelalter war der größte Teil der Fläche Eurasiens unter kleineren und größeren Staaten aufgeteilt. Etliche davon, so die Staaten der Habsburger, der Osmanen und der Chi­nesen, der Mogulstaat in Indien und der mongolische Staat auf dem Höhepunkt seiner Macht im 13. Jahr­hundert, waren vielsprachige Gebilde, deren Ursprung in der Eroberung anderer Staaten lag und die wir des­halb gemeinhin als »Reiche« bezeichnen. Viele eurasi­sche Staaten und Reiche besaßen offizielle Religionen, die den Zusammenhalt förderten, indem sie der Legi­timierung politischer Herrschaft und von Kriegen ge­gen andere Völker dienten. Die Verbreitung von Stam­mesgesellschaften und Nomadengruppen beschränkte sich in Eurasien weitgehend auf die Rentierzüchter in den Polargebieten und die Jäger und Sammler Sibiriens sowie einige Enklaven auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien.
    Zwei Reiche in Nord- und Südamerika, das der Azte­ken und das der Inkas, ähnelten ihren eurasischen Pen­dants in bezug auf Größe, Bevölkerungszahl, Vielspra­chigkeit, offizielle Religion und den Ursprung in der Eroberung kleinerer Staaten. Neben ihnen existierten in der Neuen Welt keine weiteren politischen Gebilde, die in der Lage waren, Mittel und Kräfte für öffentli­che Bauten oder Kriege in einem solchen Umfang zu mobilisieren, wie es viele eurasische Staaten vermoch­ten. Indessen besaßen sieben europäische Staaten (Spa­nien, Portugal, England, Frankreich, Holland, Schwe­den und Dänemark) die Mittel, um sich zwischen 1492 und 1666 Kolonien in Amerika anzueignen. In der Neu­en Welt gab es ferner zahlreiche Häuptlingsreiche (eini­ge waren im Grunde kleine Staaten), die vornehmlich im tropischen Südamerika, in Teilen Mesoamerikas außerhalb der Reichweite der Azteken und im Südwesten der USA angesiedelt waren. In allen übrigen Regionen Amerikas ging der politische Zusammenschluß der Be­wohner nicht über die Ebene von Stammesgemeinschaf­ten oder Jäger-Sammler-Gruppen hinaus.
    Der letzte unmittelbare Faktor, der hier angeführt wer­den soll, ist die Schrift. In den meisten eurasischen Staa­ten gab es eine schriftkundige Bürokratie, und in eini­gen konnte sogar ein beachtlicher Teil der Bevölkerung lesen und schreiben. Die Schrift war ein mächtiges In­strument in der Hand europäischer Gesellschaften; sie spielte eine ungemein wichtige Rolle, indem sie die staat­liche Verwaltung und den wirtschaftlichen Austausch ef­fizienter machte, zu Entdeckungs- und Eroberungsfahr­ten nützliche Informationen beisteuerte und Wissen aus fernen Zeiten und von fernen Orten zugänglich mach­te. Demgegenüber beschränkte sich die Verbreitung der Schrift in Nord- und Südamerika auf die Oberschicht in einem kleinen Teil Mesoamerikas. Die Inkas verwende­ten zwar in ihrem Buchhaltungswesen eine Art Knoten­schrift (Quipu genannt), doch diese war zur Übermitt­lung detaillierter Informationen kaum so geeignet, wie wir es von anderen Schriften kennen.

    Eurasische Gesellschaften besaßen demnach zur Zeit des Kolumbus’ große Vorteile gegenüber indianischen Gesellschaften, was Landwirtschaft, Krankheitserreger, Technik (einschließlich Waffen), politische

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