Arm und Reich
Nahrungspflanzen zu züchten.
Viel schneller als Afrikas domestizierte Pflanzen sind seine wenigen Haustierarten aufgezählt. Das einzige Tier, von dem wir mit Sicherheit wissen, daß es in Afrika domestiziert wurde, da seine wildlebenden Vorfahren nirgendwo anders anzutreffen sind, ist das Perlhuhn. Die wilden Vorfahren domestizierter Rinder, Esel, Schweine, Hunde und Hauskatzen waren in Nordafrika, aber auch in Südwestasien heimisch, so daß sich nicht genau sagen läßt, wo sie zuerst domestiziert wurden; die ältesten zur Zeit bekannten Daten für domestizierte Esel und Hauskatzen deuten allerdings auf Ägypten. Nach neueren Erkenntnissen wurden Rinder möglicherweise sowohl in Nordafrika als auch in Südwestasien und Indien unabhängig domestiziert und bildeten gemeinsam die Vorfahren der heutigen afrikanischen Rinderrassen. Alle übrigen Haustiere Afrikas müssen an anderen Orten domestiziert und später nach Afrika gebracht worden sein, was daran zu erkennen ist, daß ihre wildlebenden Vorfahren nur in Eurasien vorkommen. So wurden Afrikas Schafe und Ziegen in Südwestasien domestiziert, seine Hühner in Südostasien, seine Pferde im Süden Rußlands und seine Kamele vermutlich in Arabien.
Das Überraschendste an dieser Aufzählung afrikanischer Haustiere ist wieder einmal das, was fehlt. Vertreten ist keine einzige der großen wilden Säugetierarten, für die Afrika berühmt ist und die dort in so großer Zahl und Vielfalt beheimatet sind – Zebras und Gnus, Nashörner und Flußpferde, Giraffen und Büffel. Wie wir sehen werden, war diese Tatsache für den Lauf der afrikanischen Geschichte nicht minder folgenschwer als der Mangel an einheimischen Kulturpflanzen in Afrika südlich des Äquators.
Dieser kurze Überblick über die wichtigsten afrikanischen Anbaupflanzen und Haustiere verdeutlicht, daß einige von ihnen eine weite Reise hinter sich haben, sowohl innerhalb als auch außerhalb Afrikas. Wie auf anderen Kontinenten hatten auch in Afrika einige Völker mehr »Glück« als andere hinsichtlich der Ausstattung mit domestizierbaren Wildpflanzen und -tieren, die sie in ihrer Umgebung vorfanden. Zieht man die Parallele zur Verdrängung australischer Aborigines, die als Jäger und Sammler lebten, durch britische Kolonisten, die sich von Weizen und Rindfleisch ernährten, drängt sich der Verdacht auf, daß einige der »glücklicheren« Afrikaner aus ihrem Vorteil Kapital schlugen, indem sie ihre afrikanischen Nachbarn »überfluteten«. Wenden wir uns nun an die Archäologie, um herauszufinden, wer wann wen »überflutete«.
Welche Erkenntnisse kann uns die Archäologie über Zeitpunkte und Orte der Entstehung von Ackerbau und Viehzucht in Afrika vermitteln? Jedem von der Geschichte der westlichen Zivilisation durchdrungenen Leser sei verziehen, wenn er vielleicht meint, daß die afrikanische Landwirtschaft im Niltal Ägyptens ihren Ausgang nahm, im Land der Pharaonen und Pyramiden. Schließlich war Ägypten um 3000 v. Chr. zweifellos die am weitesten entwickelte afrikanische Gesellschaft und eines der frühesten Zentren der Schrift. Die ältesten archäologischen Funde, die die Existenz der Landwirtschaft in Afrika belegen, stammen jedoch möglicherweise aus der Sahara.
Wie jeder weiß, ist die Sahara heute zum größten Teil so trocken, daß dort nicht einmal Gras wächst. Zwischen 9000 und 4000 v. Chr. herrschte jedoch ein feuchteres Klima. Damals gab es in der Sahara etliche Seen und zahlreiches Wild, und die Saharabewohner begannen, Vieh zu züchten und Töpferwaren herzustellen; später hielten sie auch Schafe und Ziegen, und möglicherweise begannen sie sogar mit der Domestikation von Sorghum und Hirse. Die saharische Weidewirtschaft ist älter als der früheste belegte Zeitpunkt der Ankunft der Landwirtschaft in Ägypten (5200 v. Chr.) in Form eines kompletten Bündels aus Winterpflanzen und Haustieren vorderasiatischer Herkunft. Auch Westafrika und Äthiopien waren Keimstätten der Nahrungsproduktion; um 2500 v. Chr. hatten Viehzüchter bereits die heutige Grenze zwischen Äthiopien und Nordkenia nach Süden überschritten.
Während es sich hierbei um Folgerungen handelt, die auf archäologischen Indizien beruhen, gibt es noch eine weitere, unabhängige Methode zur Datierung der Ankunft domestizierter Pflanzen und Tiere, und zwar durch einen Vergleich der Bezeichnungen, die in modernen Sprachen für sie verwendet werden. Vergleicht
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