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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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(Volksrepublik China), durch Staaten in benachbarten Regionen, die schon früh unter ihrem Einfluß standen (Japan, Korea, Malaysia, Europa), oder durch übersee­ische Staaten, die von Einwanderern aus solchen Re­gionen besiedelt und regiert wurden (USA, Australien, Brasilien). Die Bewohner Afrikas südlich der Sahara, die australischen Aborigines und die amerikanischen Indianer brauchen sich keine großen Hoffnungen zu machen, dereinst die Herrschaft über die Welt zu er­ringen. Dafür haben die Entwicklungen, die sich vor 10 000 Jahren abspielten, zu tiefe Spuren in der Gegen­wart hinterlassen.
    Von den anderen Aspekten, die bei der Beantwortung von Yalis Frage eine Rolle spielen, sind besonders kul­turelle Faktoren und die Einflüsse einzelner Menschen hervorzuheben. Beginnen wir mit ersteren. Die Viel­falt der kulturellen Besonderheiten der Völker ist über­wältigend. Zum Teil ist sie zweifellos das Produkt von Umwelteinflüssen, wofür ich in diesem Buch zahlreiche Beispiele angeführt habe. Wichtig ist aber auch die Fra­ge nach der Bedeutung lokaler kultureller Faktoren, die nicht mit der Umwelt zusammenhängen. So kommt es vor, daß eher nebensächliche kulturelle Merkmale aus trivialen, zeit- und ortsgebundenen Gründen entstehen, sich dann verfestigen und eine Gesellschaft für kulturel­le Entscheidungen von größerer Tragweite prädisponie­ren, wie es die Chaostheorie in anderen Wissenschafts­feldern suggeriert. Derartige kulturelle Prozesse sind die Joker-Karten der Geschichte und tragen mit zu ihrer Unvorhersehbarkeit bei.
    In Kapitel 12 erwähnte ich als Beispiel die amerika­nische QWERTY-Tastatur für Schreibmaschinen und Computer. Aus etlichen konkurrierenden Vorschlägen wurde sie ursprünglich aus relativ banalen Gründen aus­gewählt, die mit der Fertigung von Schreibmaschinen im Amerika der 1870er Jahre, einer 1882 getroffenen Ent­scheidung einer gewissen Miss Longley, die in Cincin­nati ein Institut für Stenographie und Maschineschrei­ben gegründet hatte, und mit dem Erfolg von Miss Lon­gleys Star-Typisten Frank McGurrin zusammenhingen, der 1888 in einem Wettkampf, der in der Öffentlichkeit große Beachtung fand, seinen Konkurrenten Louis Taub, Protagonist einer Nicht-QWERTY-Tastatur, vernichtend schlug. Zwischen den 60er und 80er Jahren des 18. Jahr­hunderts hätte noch jederzeit eine andere Tastatur das Rennen machen können – kein Merkmal der amerika­nischen Umwelt begünstigte die QWERTY-Tastatur ge­genüber ihren Rivalen. Nachdem die Entscheidung aber einmal gefallen war, etablierte sich die QWERTY-Ta­statur so fest, daß sie ein Jahrhundert später auch für Computertastaturen übernommen wurde. Ähnlich tri­viale, heute nicht mehr nachvollziehbare Gründe stan­den möglicherweise hinter der Einführung eines auf 12 anstatt 10 basierenden Rechensystems durch die Sume­rer (dem wir die 60minütige Stunde, den 24stündigen Tag, das zwölfmonatige Jahr und den 360-Grad-Kreis verdanken); ihm steht beispielsweise das verbreitete me­soamerikanische Rechensystem gegenüber, das auf der Zahl 20 basiert.
    Diese Details von Schreibmaschinen, Uhren und Ka­lendern hatten keine weitergehenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaften, die sie ein­führten. Man kann sich aber leicht ausmalen, daß es an­ders hätte kommen können. Wäre etwa die amerikani­sche QWERTY-Tastatur nicht auch anderswo in der Welt eingeführt worden – hätten sich also beispielsweise Ja­pan oder Europa der sehr viel effizienteren Dvorak-Ta­statur verschrieben –, so wäre jene banale Entscheidung aus dem 19. Jahrhundert möglicherweise zu einer schwe­ren Bürde für die Wettbewerbsposition der USA auf dem Gebiet der Technik im 20. Jahrhundert geworden.
    Ähnlich ergab eine Untersuchung an chinesischen Kindern, daß sie schneller schreiben lernen, wenn man ihnen eine alphabetische Umschrift chinesischer Lau­te (Pinyin genannt) beibringt, als wenn sie in der tra­ditionellen chinesischen Schrift mit ihren Tausenden von Zeichen unterrichtet werden. Man hat behauptet, die chinesische Schrift sei wegen ihrer Zweckmäßig­keit beim Unterscheiden der großen Zahl von Wörtern mit unterschiedlicher Bedeutung, aber gleichen Lauten (Homophonen) im Chinesischen entstanden. Trifft dies zu, so hatte die Vielzahl der Homophone in der chi­nesischen Sprache möglicherweise einen großen Ein­fluß auf die Rolle der Lese- und Schreibfertigkeit in der chinesischen Gesellschaft, doch

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