Arm und Reich
Eiszeit schrumpften, sondern auch in jenen, die sich stark ausdehnten? Ich habe da schon eher die Clovis-Jäger im Verdacht, aber die Debatte geht weiter. Egal, welche Theorie sich am Ende als richtig erweist: Es verschwanden so die meisten Großtierarten, die später von den indianischen Bewohnern Amerikas hätten domestiziert werden können.
Ungeklärt ist auch die Frage, ob die Clovisjäger tatsächlich die ersten Amerikaner waren. Nach dem gewohnten Strickmuster werden in Nord- und Südamerika Jahr für Jahr neue Fundstätten präsentiert, die angeblich aus noch älterer Zeit stammen. Einige von ihnen erscheinen, wenn man zum erstenmal davon hört, überzeugend und hochinteressant, doch dann tauchen unweigerlich Interpretationsprobleme auf. Handelte es sich bei den angeblichen Steinwerkzeugen, die gefunden wurden, tatsächlich um von Menschenhand gefertigte oder nur um Zufallsprodukte der Natur? Sind die gemeldeten Datierungen mit Hilfe der Radiokarbon-Methode wirklich korrekt und nicht mit einem der vielfältigen Probleme behaftet, die bei dieser Methode auftreten können? Und falls die Datierungen zutreffen, existiert dann tatsächlich ein Zusammenhang mit menschlichen Artefakten oder lag vielleicht nur ein 15 000 Jahre alter Klumpen Holzkohle zufällig neben einem erst 9000 Jahre alten Steinwerkzeug?
Diese Probleme will ich anhand des folgenden vielzitierten Beispiels einer angeblichen Prä-Clovis-Fundstätte verdeutlichen. In einer brasilianischen Höhle, Pedro Furada genannt, entdeckten Archäologen Höhlenmalereien, die ohne Zweifel von Menschen stammten. Unter den Steinen am Fuße einer Felswand fanden sie außerdem einige Steine, die man nach ihrer Form für primitive Werkzeuge halten konnte. Weiter stieß man auf vermeintliche Feuerstellen, für die eine Datierung anhand der ebenfalls gefundenen Holzkohlereste ein Alter von rund 35 000 Jahren ergab. Die Berichte über Pedro Furada wurden in der Fachwelt so ernst genommen, daß sogar die renommierte internationale Wissenschaftszeitschrift Nature Artikel darüber brachte.
Aber: Kein einziger der Steine, die vor der Felswand gefunden wurden, weist eindeutige Spuren einer Bearbeitung durch Menschen auf, wie es bei den Clovis-Spitzen und Cromagnon-Werkzeugen der Fall ist. Wenn Hunderttausende von Steinen im Laufe von Jahrzehntausenden von einer hohen Felswand herabstürzen, zerspringen viele beim Aufschlag in Stücke, und einige ähneln dann unweigerlich primitiven Werkzeugen, die auch von Menschen stammen könnten. In Westeuropa sowie in anderen Teilen des Amazonasgebiets datierten Archäologen mit der Radiokarbon-Methode die für die Höhlengemälde verwendeten Pigmente, doch in Pedro Furada geschah dies nicht. In der Umgebung der Höhle kommt es oft zu Waldbränden, bei denen Holzkohle entsteht, die von Wind und Wasser immer wieder auch in Höhlen getragen wird.
Es fehlt der Beweis für einen Zusammenhang zwischen der 35 000 Jahre alten Holzkohle und den Höhlenmalereien von Pedro Furada. Zwar halten die ursprünglichen Entdecker an ihrer Überzeugung fest, aber eine Gruppe von Archäologen, die an der Ausgrabung nicht beteiligt, für Prä-Clovis-Entdeckungen jedoch aufgeschlossen war, verließ die Fundstätte nach einem kürzlichen Besuch eher enttäuscht.
Die nordamerikanische Ausgrabungsstätte mit den größten Anerkennungschancen als Ort älterer Funde ist Meadowcroft Rock Shelter in Pennsylvania. Laut Radiokarbon-Datierung beträgt das Alter der dort gefundenen, mit Menschen in Verbindung gebrachten Gegenstände etwa 16 000 Jahre. Es besteht kein Zweifel an der Echtheit der zahlreichen Artefakte, die in etlichen sorgfältig freigelegten archäologischen Schichten zum Vorschein kamen. Die ältesten Radiokarbon-Datierungen ergeben jedoch keinen Sinn, da es sich bei den Pflanzenund Tierarten, die ihnen zufolge in dem Gebiet gelebt hatten, um solche handelt, die erst viel später, als das Klima milder geworden war, in Pennsylvania vorkamen, nicht aber um Arten, die man in dem eisigen Klima vor 16 000 Jahren dort erwarten konnte. Deshalb drängt sich der Verdacht auf, daß die Holzkohlereste aus den ältesten Schichten mit menschlichen Artefakten aus jüngerer Zeit stammen und irgendwann nach unten sickerten, wo sie sich mit älterer Holzkohle vermischten. Der aussichtsreichste Prä-Clovis-Kandidat in Südamerika ist die Fundstätte bei Monte Verde in Südchile,
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