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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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die minde­stens 15 000 Jahre alt sein soll. Viele Archäologen neh­men diese Datierung inzwischen sehr ernst, doch die Ergebnisse wurden noch nicht detailliert veröffentlicht, und angesichts all der desillusionierenden Erfahrungen der Vergangenheit ist sicher Vorsicht geboten.
    Falls es in Nord- und Südamerika tatsächlich Prä-Clovis-Menschen gab, stellt sich die Frage, warum der Nachweis ihrer Existenz immer noch so schwer zu er­bringen ist. Hunderte amerikanischer Fundstätten wur­den von Archäologen eindeutig auf ein Alter zwischen 2000 und 11 000 v. Chr. datiert, darunter Dutzende von Clovis-Fundstätten im Westen Nordamerikas, Felshöh­len in den Appalachen und Fundstätten an den Küsten Kaliforniens. Unter all den archäologischen Schichten mit unzweifelhaften Zeugnissen menschlicher Präsenz finden sich an vielen dieser Orte weitere Schichten, aus denen zwar Überreste von Tieren zutage gefördert wur­den, aber nichts, was auf Menschen schließen ließe. Die schwache Beweislage für die Existenz von Prä-Clovis-Menschen in Nord- und Südamerika steht im krassen Gegensatz zu der überwältigenden Fülle von Beweisen in Europa, wo Hunderte von Fundstätten Zeugnis von der Anwesenheit moderner Menschen lange vor dem Auf­tauchen der Clovis-Jäger in Amerika um 11 000 v. Chr. ablegen. Noch bemerkenswerter ist, daß in Australien/ Neuguinea, wo nur knapp ein Zehntel so viele Archäo­logen tätig sind wie in den USA, über hundert eindeu­tige Prä-Clovis-Fundstätten über den ganzen Kontinent verstreut entdeckt wurden.
    Gewiß flogen die ersten menschlichen Bewohner Amerikas nicht mit dem Hubschrauber von Alaska nach Meadowcroft und Monte Verde und ließen alle dazwi­schenliegenden Gebiete einfach aus. Verfechter einer Prä-Clovis-Besiedlung führen an, die Prä-Clovis-Menschen seien – aus unbekannten Gründen und ohne Parallele in anderen Teilen der Welt – über Tausende oder vielleicht gar Zehntausende von Jahren wegen ihrer geringen Be­völkerungsdichte archäologisch so gut wie unsichtbar geblieben. Mir erscheint diese Vermutung viel unplau­sibler als die, daß auch Monte Verde und Meadowcroft, wie schon so viele zunächst heiß gehandelte Prä-Clovis-Fundstätten, eines Tages in neuem Licht gesehen wer­den. Ich denke, wenn es tatsächlich Prä-Clovis-Siedlun­gen in Amerika gegeben hätte, dann hätte sich das in­zwischen an vielen Orten deutlich gezeigt, und niemand würde mehr darüber streiten. In der Archäologie wird aber weiter emsig über diese Fragen debattiert.
    Für unser Verständnis der späteren amerikanischen Vorgeschichte ist allerdings ohne Belang, welche Inter­pretation sich am Ende als richtig erweist. Entweder Nord- und Südamerika wurden um 11000 v. Chr. erst­mals besiedelt und füllten sich binnen relativ kurzer Zeit mit Menschen, oder die Erstbesiedlung erfolgte etwas früher (nach Meinung der meisten Verfechter der Prä-Clovis-Theorie vor 15000 oder 20000 Jahren, vielleicht auch vor 30000 Jahren, aber kaum noch früher), wobei jene Prä-Clovis-Siedler bis ca. 11000 v. Chr. gering an der Zahl blieben, unauffällig waren oder wenig Spuren hin­terließen. In beiden Fällen waren Nord- und Südameri­ka unter den fünf bewohnbaren Kontinenten die mit der kürzesten menschlichen Siedlungsgeschichte.
    Mit der Besiedlung Nord- und Südamerikas war der größte Teil der bewohnbaren Gebiete der Kontinente und großen Inseln sowie der Inselweit Indonesiens bis nach Neuguinea und weiter ostwärts von Menschen in Besitz genommen. Die Besiedlung der verbliebenen In­seln wurde erst in jüngerer Vergangenheit abgeschlos­sen: Mittelmeerinseln wie Kreta, Zypern, Korsika und Sardinien wurden zwischen 8500 und 4000 v. Chr. von Menschen bevölkert, die Inseln der Karibik ab ca. 4000 v. Chr., die polynesische und mikronesische Inselwelt zwischen 1200 v. Chr. und 1000 n. Chr., Madagaskar ir­gendwann zwischen 300 und 800 n. Chr. und Island im 9. Jahrhundert n. Chr. Amerikanische Indianer, mög­licherweise Vorfahren der heutigen Inuit, drangen um 2000 v. Chr. in arktische Gefilde vor. Damit blieben nur die entlegensten Inseln des atlantischen und indischen Ozeans (wie die Azoren und die Seychellen) sowie die Antarktis als unbewohnte Gebiete übrig, die in den letz­ten 700 Jahren der Entdeckung durch europäische For­schungsreisende harrten.
    Welche Bedeutung mögen die unterschiedlichen Besiedlungs zeitpunkte der einzelnen Kontinente für den späteren Geschichtsverlauf gehabt

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