Arm und Reich
Sturm über die Fidschiinseln fegte, eingeschleppt von einigen europäischen Seeleuten, die sich vom Wrack ihres Schiffs, der Argo, an Land gerettet hatten. Ähnliche Epidemien prägten auch die Geschichte Tongas, Hawaiis und anderer Pazifikinseln.
Das soll natürlich nicht heißen, daß sich die Rolle von Krankheiten in der Geschichte darin erschöpfte, europäischen Eroberern den Weg zu ebnen. Im Gegenteil: Malaria, Gelbfieber und andere Tropenkrankheiten Afrikas, Indiens, Südostasiens und Neuguineas stellten bei der Kolonisierung dieser Gebiete durch Europäer das größte Hindernis dar.
Warum war Pizarro in Cajamarca? Warum war nicht Atahualpa in Spanien, um es zu erobern? Daß Pizarro nach Cajamarca gelangte, verdankte er dem Stand des europäischen Schiffbaus, der ihm erst die Reise von Spanien über den Atlantik nach Panama und dann die Fahrt durch den Pazifik nach Peru ermöglichte. Atahualpa besaß keine großen Schiffe, und folglich waren seinem Expansionsstreben durch die Ozeane Grenzen gesetzt.
Eine weitere Voraussetzung der Anwesenheit Pizarros war die zentralistische politische Ordnung, die es Spanien ermöglichte, Schiffe zu finanzieren, zu bauen, mit Mannschaften zu besetzen und auszurüsten. Das Inka-Reich besaß ebenfalls eine zentralistische politische Ordnung, die jedoch im Endeffekt zum Nachteil für die Inkas wurde, da sich Pizarro durch die Gefangennahme Atahualpas mit einem Schlag der Befehlskette der Inkas bemächtigen konnte. Wegen der starken Ausrichtung der Inka-Bürokratie auf den als Gottkönig und absoluten Herrscher verehrten Atahualpa zerfiel sie nach dessen Tod. Auch auf anderen Kontinenten waren Schiffbau und Navigationskünste, gekoppelt mit bestimmten Formen politischer Organisation, Voraussetzung für Eroberungen nicht nur der Europäer, sondern auch vieler anderer Völker.
Ein weiterer Faktor, der beim Vordringen der Spanier nach Peru eine Rolle spielte, war die Schrift. Die Spanier besaßen sie, die Inkas nicht. Mit Hilfe der Schrift konnten Informationen weit schneller, präziser und detaillierter verbreitet werden als durch mündliche Weitergabe. Die Berichte über die Fahrten des Kolumbus und die Eroberung Mexikos durch Cortés, die nach Spanien zurückdrangen, setzten dort einen Strom von Menschen in Bewegung, der sich in die Neue Welt ergoß. Briefe und Schriften weckten zum einen das Interesse und lieferten zum anderen das für die Navigation erforderliche Wissen. Der erste veröffentlichte Bericht über Pizarros Heldentaten, verfaßt von einem seiner Kampfgefährten, Hauptmann Cristóbal de Mena, erschien im April 1534 in gedruckter Form in Sevilla, nur neun Monate nach der Hinrichtung Atahualpas. Er avancierte zum Bestseller, der rasch in andere europäische Sprachen übersetzt wurde und dafür sorgte, daß sich ein weiterer Strom spanischer Siedler in Bewegung setzte, um Pizarros Herrschaft über Peru zu festigen.
Warum ging Atahualpa in die Falle? Im Rückblick wundert man sich, daß Atahualpa so arglos in Pizarros offenkundige Falle in Cajamarca tappte. Die Spanier, die ihn gefangennahmen, waren von ihrem Erfolg selbst überrascht. Bei der Erklärung spielt letztlich die Schrift eine nicht unerhebliche Rolle.
Die unmittelbare Erklärung ist das äußerst spärliche Wissen Atahualpas über die Spanier, ihre militärische Stärke und ihre Absichten. Was er wußte, stammte aus mündlichen Quellen, wobei er sich hauptsächlich auf einen Gesandten stützte, der Pizarros Truppe zwei Tage auf dem Weg von der Küste ins Inland begleitet hatte. Dabei erlebte er die Spanier in ihrer chaotischsten Phase, so daß er Atahualpa berichtete, man habe es nicht mit Kriegern zu tun und 200 Indianer seien mehr als genug, um mit den Eindringlingen fertig zu werden. Verständlicherweise kam es Atahualpa nicht in den Sinn, daß ihn die Spanier ohne Provokation angreifen würden beziehungsweise überhaupt eine Gefahr für ihn darstellen könnten.
Die Kunst des Lesens und Schreibens beherrschten in der Neuen Welt nur kleine Eliten einiger Völker des damaligen Mexiko und benachbarter Gebiete weit nördlich des Inka-Reichs. Obwohl Spanien mit der Eroberung Panamas, das von der Nordgrenze der Inkas nur rund tausend Kilometer entfernt war, schon im Jahr 1510 begonnen hatte, war offenbar noch nicht einmal die Kunde von der Existenz der Spanier zu den Inkas gedrungen, als Pizarro 1527 erstmals an der peruanischen Küste
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