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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Vorteile und die aus ihnen resultierende Entstehung von Anbaupflanzen jedoch für Vorderasien.
    Einer der Vorteile des Fruchtbaren Halbmonds ist sei­ne Lage inmitten einer mediterranen Klimazone, sprich einem Gebiet mit milden, feuchten Wintern und lan­gen, heißen, trockenen Sommern. Unter solchen klima­tischen Bedingungen gedeihen vor allem Pflanzen, die in der Lage sind, die lange Trockenzeit zu überdauern und bei Wiederkehr des Regens schnell aus der Erde zu sprießen. Viele Pflanzen Vorderasiens, insbesonde­re Gräser und Hülsenfrüchte, paßten sich an diese Be­dingungen in einer für den Menschen nützlichen Weise an: Es waren einjährige Pflanzen, die in der Trockenzeit austrocknen und absterben.
    Innerhalb ihrer auf ein Jahr beschränkten Lebensspan­ne bleiben einjährige Pflanzen zwangsläufig kleinwüch­sig. Viele investieren ihre Energie statt in hochschießen­des Wachstum in die Ausbildung großer Samenkörner, die während der Trockenzeit im Ruhezustand verhar­ren und bei einsetzendem Regen zu sprießen beginnen. Einjährige Pflanzen verwenden mithin, anders als Bäu­me und Büsche, wenig Energie auf die Erzeugung von Holz und faserigen Stengeln. Dagegen sind viele der gro­ßen Samenkörner, insbesondere von einjährigen Getrei­dearten und Hülsenfrüchten, für Menschen genießbar. Sie stellen sechs der zwölf wichtigsten Anbaupflanzen der Gegenwart dar. Wer indes in waldreicher Umge­bung lebt, wird beim Blick aus dem Fenster bemerken, daß die meisten Pflanzenarten vor seinen Augen Bäu­me und Sträucher sind, die nur einen geringen Teil ih­rer Energie in eßbare Samen umwandeln. Zwar gibt es in Gebieten mit feuchtem Klima durchaus Bäume, die große, eßbare Samen hervorbringen, doch diese besit­zen nicht die nötige Anpassung, um lange Trockenzei­ten unbeschadet zu überstehen, und sind deshalb auch für eine längere Aufbewahrung durch den Menschen ungeeignet.
    Ein zweiter Vorteil, den die Flora Vorderasiens gegen­über anderen Regionen besaß, lag darin, daß die wild­wachsenden Vorfahren vieler dortiger Kulturpflanzen bereits weit verbreitet und sehr ertragreich waren, so daß ihr Nutzen den örtlichen Sammlern kaum verborgen bleiben konnte. In experimentellen Studien, bei denen Botaniker etwa so, wie es Sammler vor über 10 000 Jah­ren getan haben mögen, Samen von natürlichem Wild­getreide ernteten, konnte gezeigt werden, daß jährliche Erträge von bis zu einer Tonne Samen pro Hektar mög­lich sind – das entspricht 50 Kilokalorien Nahrungsen­ergie bei einem Energieeinsatz von nur einer Kiloka­lorie. Indem sie große Mengen Wildgetreide innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Samenreife ernteten und anschließend als Nahrungsreserve für den Rest des Jahres lagerten, wurden einige Jäger- und Samm­lervölker Vorderasiens schon zu seßhaften Dorfbewoh­nern, noch bevor sie damit begannen, selbst Pflanzen zu kultivieren.
    Da die Getreidearten Vorderasiens schon in ihren Wildformen ertragreich waren, bedurfte es zu ihrer Do­mestikation nur geringfügiger Veränderungen. Wie im vorigen Kapitel erörtert, stellten sich die wichtigsten da­von – der Verlust der natürlichen Samenverbreitungs­mittel und des Keimverzugs – automatisch und binnen kurzer Zeit ein, nachdem Menschen damit begonnen hatten, die Samen auf Feldern zu säen. Die wildwach­senden Vorfahren von Weizen und Gerste sehen unse­ren heutigen Getreidesorten so ähnlich, daß nie Zweifel hinsichtlich der Abstammung aufkamen. Da ihre Do­mestikation so einfach war, befanden sich großsamige einjährige Pflanzen unter den ersten Anbaugewächsen, die nicht nur in Vorderasien, sondern auch in China und in der Sahelzone Bedeutung erlangten.
    Man vergleiche einmal diese rasche Evolution von Weizen und Gerste mit dem Aufstieg von Mais, der wich­tigsten Getreidepflanze der Neuen Welt. Der vermute­te Maisvorfahr, eine Wildpflanze namens Teosinte, un­terscheidet sich in Samen und Blütenbau so sehr von Mais, daß unter Botanikern lange umstritten war, ob Mais überhaupt von Teosinte abstammt. Der Wert dieser Pflanze als Nahrungslieferant dürfte Jäger und Samm­ler kaum sonderlich beeindruckt haben: Sie war in frei­er Natur nicht halb so ertragreich wie Wildweizen, pro­duzierte viel weniger Samenkörner als der spätere Mais, und ihre Samen waren in harten, ungenießbaren Schalen verborgen. Damit aus Teosinte ein nützliches Anbauge­wächs werden konnte, mußte sich ihre Reproduktions­biologie

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