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Armageddon 01 - Die unbekannte Macht

Armageddon 01 - Die unbekannte Macht

Titel: Armageddon 01 - Die unbekannte Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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als die restlichen, was den nur schwach entwickelten Geruchssinn der Laymil wieder kompensierte.
    Der zur Nahrungsaufnahme dienende Mund befand sich auf der Oberseite des Torsos, in der Kluft zwischen den Hälsen: eine kreisförmige Öffnung mit zwei Reihen kleiner, nadelspitzer Zähne.
    Der Körper, in dem sich Ione jetzt befand, engte ihren eigenen Leib beträchtlich ein, indem er ihn mit ringförmigen Muskeln quetschte, das protestierende Fleisch und die Knochen in eine neue Form zu bringen trachtete und sie zwang, der wieder erwachten Existenz zu genügen, die in der Kristallmatrix gespeichert war.
    Ione fühlte sich, als würden all ihre Gliedmaßen systematisch in jede andere außer den natürlich vorgesehenen gedreht und gezerrt. Doch sie empfand keinen Schmerz bei der merkwürdigen Metamorphose. Aufgeregte Gedanken, angestachelt von einer instinktiven Abscheu, beruhigten sich nach und nach wieder. Ione drehte sich langsam um ihre eigene Achse und akzeptierte ihre ungewohnte trianguläre Perspektive, so gut es ging.
    Sie trug Kleidung. Die erste Überraschung, geboren aus einem Vorurteil: die fremde Physis war animalisch, nichtmenschlich, und es gab keinen möglichen Anthropomorphismus, der ihr ermöglicht hätte, eine Brücke zu schlagen. Doch die Hosen waren leicht als solche erkennbar: Röhren aus mitternachtsblauem Gewebe, weich wie Seide auf der rauhen Haut. Die Beine reichten bis zur Hälfte des Unterschenkel-Analogs; Ione erkannte sogar so etwas wie einen Gürtel. Das Hemd war ein Stretchzylinder von hellem Grün, mit Schlaufen, die über den Hälsen hingen.
    Und sie ging. Ein dreibeiniger Gang, der so einfach, so natürlich war, daß sie nicht einen Gedanken daran verschwenden mußte, wie sie ihre Gliedmaßen zu bewegen hatte, um nicht zu stolpern. Der Sensorkopf mit dem sprechenden Mund war stets vorne und schwankte langsam von einer Seite zur anderen. Die beiden anderen Köpfe behielten die umgebende Landschaft im Auge.
    Sie wurde von Geräuschen und Ansichten bestürmt. In ihrer visuellen Welt existierten nur wenige Schattierungen – helle Grundfarben dominierten, doch das Bild war von winzigen schwarzen Rissen durchzogen wie eine AV-Projektion, die schweren Interferenzen ausgesetzt war. Die Myriaden verschiedener Geräusche waren von halbsekundenlangen Phasen absoluter Stille durchbrochen.
    Ione ging über die Fehler in der Aufzeichnung hinweg. Sie befand sich in einem Laymil-Habitat. Wenn Tranquility gepflegte Perfektion darstellte, dann war das hier gepflegte Anarchie. Die Bäume standen miteinander im Krieg: Äste und Stämme prallten gegeneinander. Nichts wuchs aufrecht. Es war wie ein Dschungel, der von einem Hurrikan heimgesucht worden war – doch die Stämme standen so dicht beieinander, daß der Sturm sie nicht umwerfen konnte, sondern höchstens gegen ihre Nachbarn. Ione sah Bäume, deren geknickte Stämme sich gegenseitig stützten, Stämme, die sich umeinander wanden im Kampf um Licht und Raum, junge Sprosse, die alte verwitternde Stämme durchbohrten. Wurzeln von Mannshöhe wuchsen hoch über ihrem Kopf aus den Stämmen, stachen wie fleischige beigefarbene Gabeln in den sandigen Boden und boten so zusätzlichen Halt. Die Blätter waren lange Bänder von einem tiefdunklen Oliv, die sich zu Spiralen zusammengerollt hatten. Dort, wo Ione ging, wo sich Schatten und Sonnenlicht abwechselten wie unvermittelt stofflich gewordene Säulen, waren jede einzelne Nische und jeder Spalt mit winzigen kobaltblauen Pilzen überwuchert, deren Hüte vollhingen mit zinnoberroten Staubblättern. Sie schwangen in der milden Luft hin und her wie Seeanemonen in einer leichten Strömung. Frieden und Freude durchdrangen Ione wie das Sonnenlicht den Bernstein. Der Wald befand sich in völliger Harmonie. Seine Lebensgeister standen in Resonanz mit dem Wesen ihrer im Weltraum treibenden Mutter und sangen unisono ihr hohes Lied. Ione lauschte aus vollem Herzen und spürte Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens.
    Die Hufe trotteten gleichmäßig über den gewundenen Pfad und brachten sie zur vierten Hochzeitskommune Ihre Männer/Partner erwarteten sie bereits, und die Begierde in ihr war verwoben mit dem Lied des Waldes und vom Wesen der Mutter gesegnet.
    Sie erreichte den Rand des Dschungels, traurig wegen der kleineren Bäume und darüber, daß das Lied endete, voller Jubel, daß sie sauber hindurchgekommen war und sich eines vierten Reproduktionszyklus als würdig erwiesen hatte. Die Bäume wichen freiem Land,

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