Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
aufzuschwingen. Das überlasse ich gerne irgend einem zu groß geratenen Macho, nein danke. Und ich sehe nicht, daß man mir Applaus spenden würde, wenn ich mich vor der Managerin aufbaue und vorschlage, daß wir zurückbleiben und auf unsere Fracht aufpassen sollen, um ihre Freunde daran zu hindern, daß sie uns bestehlen. Hätten Sie mit all Ihrer Güte so gehandelt?«
»Nicht öffentlich, nein«, gestand Horst. »Aber es gibt andere Wege.«
»Nun, dann fangen Sie schon einmal an, darüber nachzudenken, Vater. Weil unsere kostbaren Container nämlich für die nächsten paar Tage in einem Lagerhaus in der Stadt aufgestapelt stehen werden, bis das Schiff kommt. Und wir werden alles benötigen, was darin ist. Ich meine wirklich brauchen. Wer glaubt, daß allein Entschlossenheit und ehrliche Arbeit reichen, um in der Wildnis zu überleben, der ist reif für den Schock seines behüteten bisherigen Lebens, glauben Sie mir.«
»Müssen Sie eigentlich immer in allen Dingen absolut recht haben?«
»Hören Sie, Vater! Sie sind hier, um unsere Seelen zu behüten. Sie sind bestimmt gut darin, nach dem, was ich bis jetzt von Ihnen weiß. Sie sind ein fürsorglicher Typ. Jedenfalls tief in Ihrem Innern. Aber ich allein trage die Verantwortung dafür, daß meine Seele noch eine Weile mit meinem Körper verbunden bleibt. Und glauben Sie mir, ich beabsichtige, meine Sache so gut zu machen, wie ich nur irgend kann.«
»In Ordnung, schon gut«, sagte Horst. »Vielleicht ist es wirklich eine gute Idee, wenn ich heute abend mit ein paar Leuten aus unserer Gruppe rede.
Vielleicht gelingt es uns, eine Art Wache im Lagerhaus zu organisieren.«
»Und es wäre gar keine schlechte Idee, wenn es uns gelänge, Ersatz für das zu beschaffen, was abhanden gekommen ist. Wahrscheinlich ist die Ausrüstung der anderen Gruppen im gleichen Lagerhaus abgestellt. Das sollte eigentlich nicht zu schwierig sein.«
»Wir könnten auch zum Sheriff gehen und ihn bitten, die Sachen zu suchen, die man uns gestohlen hat«, sagte Horst inbrünstig.
Ruth lachte erneut laut auf.
Mehrere Minuten gingen sie schweigend weiter.
»Ruth?« fragte er schließlich. »Warum sind Sie hergekommen?«
Sie wechselte einen traurigen Blick mit Jay, und mit einemmal wirkten die beiden Frauen schwach und verletzlich. »Ich bin auf der Flucht«, antwortete sie dann. »Sie etwa nicht?«
Durringham war im Jahr 2582 gegründet worden, ein paar (irdische) Jahre, nachdem das Inspektionsteam der Konföderation die Ergebnisse der ökologischen Analyse der Landerschließungsgesellschaft bestätigt hatte. Man war darin übereingekommen, daß es auf Lalonde keine besonderen biologischen Gefahren für Menschen gab – ein enorm wichtiges Zertifikat für jeden Planeten, der Kolonisten anzulocken hoffte.
Es hatte so lange gedauert, weil die Landerschließungsgesellschaft (welche die Besiedlungsrechte von dem Erkundungsschiff erworben hatte, das Lalonde entdeckt hatte) zuerst Finanzierungspartner suchen mußte, um anschließend die Lalonde-Entwicklungsgesellschaft zu gründen. Mit ausreichender finanzieller Rückendeckung, um einen funktionierenden Raumhafen in Betrieb zu nehmen und eine minimale Zivilverwaltung einzusetzen, und mit einer Zusicherung der Edeniten, ein BiTek-Habitat über Murora zu germinieren, dem größten Gasriesen des Systems, konnte man sich schließlich an die Aufgabe wagen, größere Scharen von Kolonisten anzuwerben.
Nachdem der Vorstand die vorherrschend südostasiatischen Einzugsgebiete und die beabsichtigten ethnischen Zusammensetzungen anderer Koloniewelten der gleichen Stufe in diesem Sektor der Milchstraße untersucht hatte, hatte man sich auf die Errichtung einer europäisch-christlichen Kolonie festgelegt, um ein adäquates Potential an Einwanderern anzusprechen. Man beschloß eine breitendemokratische Verfassung, die im Verlauf eines Jahrhunderts nach und nach in Kraft treten sollte. Während dieser Zeitspanne würde die Entwicklungsgesellschaft die zivile Verwaltung nach und nach an gewählte Organe übergeben, um sich am Ende der ersten hundert Jahre ganz aus dem politischen Geschehen zurückzuziehen, indem ein Kongreß mit einem gewählten Präsidenten die Regierungsgewalt übernahm. Theoretisch hatte sich Lalonde bis dahin zu einer blühenden industriellen und technologischen Gesellschaft entwickelt, wobei die Lalonde-Entwicklungsgesellschaft den größten Besitzanteil an sämtlichen kommerziellen Unternehmungen des Planeten hatte. Das war
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