Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
erkundigte sich Ione.
»Wir bringen ihn in Null-Tau«, antwortete Oski Katsura. »Bedauerlicherweise ist der Cluster zu empfindlich, um ihn in einem Museum auszustellen. Oder möchten Sie vielleicht, daß wir ihn vorher eine Weile der Öffentlichkeit zugänglich machen?«
»Nein. Das ist Ihr Gebiet. Aus diesem Grund habe ich Sie zur Abteilungsleiterin gemacht.«
Unter den zivilen Forschern an den verschiedenen Arbeitsplätzen des Labors bemerkte Ione die Wissenschaftler der Konföderierten Navy. Es lag wohl an den besonderen Umständen, daß sie nur gelegentlich neugierige Blicke erntete.
Parker Higgens, Kempster Getchell und Lieria standen beieinander und sahen den Technikern zu, die den Cluster für das Null-Tau vorbereiteten.
»Das Ende einer Ära«, sagte Getchell, als Ione zu ihnen trat. Die Mehrdeutigkeit seiner Worte schien ihm völlig zu entgehen. »Wir können nicht mehr darauf hoffen, durch gestohlenes Wissen weiterzukommen. Sehr zum Mißfallen der Militärs; keine riesigen Strahlenwaffen, mit denen sie spielen können. Sieht ganz danach aus, als müßten wir doch wieder selbst anfangen zu denken. Wenn das keine guten Neuigkeiten sind?«
»Es sei denn, ein Besessener klopft an Ihre Tür«, entgegnete Parker Higgens kalt.
»Mein lieber Parker, auch ich sehe gelegentlich die Nachrichten.«
»Wie weit sind wir mit unserer Suche nach dem Unimeron?« fragte Ione.
»Von einem rein technischen Standpunkt aus gesehen – ziemlich weit«, antwortete Kempster Getchell eifrig. »Wir haben das Design der Sonde fertiggestellt, die wir einsetzen möchten. Der junge Renato ist in einem Blackhawk zu dem Orbitalband unterwegs, das wir für den Test unseres Prototypen verwenden wollen. Falls alles nach Plan läuft, können unsere Industriestationen schon nächste Woche mit der Massenproduktion beginnen. Wir könnten das Band bis Ende des Monats mit Sonden sättigen. Und falls es dort ungewöhnliche Energieresonanzen gibt, sollten wir sie auch finden.«
Es ging also nicht so schnell, wie Ione gehofft hatte. »Ausgezeichnete Arbeit«, sagte sie zu dem alten Astronomen. Sie wandte sich an Higgens. »Oski Katsura hat berichtet, Sie hätten eine Aufzeichnung über den Suizid einer Raummutter gefunden?«
»Jawohl, Ma’am.«
»Konnten Sie Hinweise auf eine Waffe entdecken, die sie gegen ihre Besessenen eingesetzt haben?«
»Keine physische Waffe, wie ich zu meiner Erleichterung gestehe. Allerdings wirkten die Laymil angesichts des bevorstehenden Selbstmordes ungewöhnlich zufrieden.«
»Was halten die Leute von der Navy davon?«
»Sie waren enttäuscht, doch sie sind mit uns der Auffassung, daß weder die Raummutter noch ihre Bewohner einen Versuch unternommen haben, die Besessenen physisch anzugreifen, die sich vom Unimeron her näherten.«
Ione nahm an einem leeren Arbeitstisch Platz. »Also gut.« – Zeig es mir.
Sie konnte sich einfach nicht an das merkwürdig beengte Gefühl gewöhnen, das aus dem Sensorium eines Laymil-Körpers herrührte. Diesmal befand sie sich in einem männlichen Exemplar, einem Eierproduzenten – eine von zwei verschiedenen männlichen Laymil-Varietäten. Er stand inmitten einer Gruppe von Artgenossen, seiner Familie und den übrigen Co-Habitanten, am Rand der dritten Paarungsgemeinde. Seine Trompetenköpfe tröteten leise, ein Klagegesang, in den Hunderte von Kehlen ringsum mit einstimmten. Es war eine langsame Melodie, die über die grasbewachsenen Hänge wehte. Ihr Echo hallte in seinem Bewußtsein wider, aufgefangen von der Entität jeder einzelnen Gemeinde innerhalb der Raummutter. Gemeinsam sangen sie ihr Lied, im Einklang mit den Lebensgeistern der Wälder und Wiesen, den Schwärmen der Tiere und der Mutterentität. Es war ein Gesang, der von jeder Raummutter aufgenommen wurde, während die betrügerischen Toten unaufhaltsam näherkamen.
Der Äther hallte wider von Traurigkeit, und ihr Gewicht drückte auf jede einzelne organische Zelle innerhalb der Raummutter. Die Sonnenspitzen verdunkelten sich ein letztes, endgültiges Mal, und mit dem Licht vergingen die unbeschwerten Farben, die ihn sein ganzes Leben lang umgeben hatten.
Er reichte seinen Freunden und Kindern die Arme, bereit, den Tod zu teilen, wie sie das Leben geteilt hatten. Sie tranken Stärke aus den anderen, waren zu einem einzigen großen Dreieck verschmolzen, dessen Komponenten aus jeweils drei Erwachsenen bestanden. Im Innern des Dreiecks die Kinder, beschützt und verehrt. Das ganze ein Symbol der Kraft und
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