Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
denke, es ist nun deutlich geworden, wo wir stehen.«
Der Direktor winkte wütend ab und ging hinaus.
– Ich möchte mich für sein Verhalten entschuldigen, wandte sich Ione an die Kiint. – Aber wie Sie sich bestimmt denken können, sind wir alle äußerst verängstigt. Es ist frustrierend zu wissen, daß Ihre Rasse eine Lösung gefunden hat, die für die unsere nicht anwendbar ist.
– Zu Recht, Ione Saldana. Ich verstehe das sehr gut. Die Geschichte beschreibt, daß in unserer Spezies heller Aufruhr geherrscht hat, als wir das Jenseits entdeckten.
– Das gibt mir Hoffnung, Lieria. Ihre Existenz ist der Beweis, daß denkende Wesen eine zufriedenstellende Lösung finden können, die nichts mit kollektivem Freitod zu tun hat. Das inspiriert mich, weiter nach einer eigenen Antwort für uns Menschen zu suchen.
– Falls es Ihnen ein Trost ist, Ione Saldana: Wir Kiint hoffen inbrünstig, daß die Menschheit erfolgreich ist.
– Danke sehr, Lieria.
Erick wurde von seiner neuralen Nanonik geweckt. Er hatte gewohnheitsmäßig Programme aktiviert, die seine unmittelbare Umgebung sowohl physisch als auch elektronisch überwachten und auf alles reagierten, das gewisse nominale Parameter überstieg.
Als er sich in dem abgedunkelten Büro aufrichtete, meldete die neurale Nanonik eine Reihe anormaler Schwankungen in der Energieversorgung des Asteroiden. Als er eine Anfrage an das Überwachungsprogramm startete, stellte er fest, daß niemand vom technischen Personal sich um das Problem kümmerte. Weitere Nachforschungen ergaben, daß fünfzehn Prozent der Aufzüge in der Wohnsektion außer Betrieb waren. Die Anzahl der Datavis-Übertragungen im öffentlichen Netz ging ebenfalls zurück.
»Gütiger Gott im Himmel! Nicht hier, bitte nicht auch noch das!« Er schwang die Beine von der Liege. Eine Woge von Übelkeit stieg in ihm auf. Medizinische Programme gaben mehrere Warnmeldungen ab; die Ärzte, die Emonn Verona versprochen hatte, waren bis jetzt noch nicht bei ihm aufgetaucht.
Als er mit dem Lieutenant-Commander per Datavis Verbindung aufnehmen wollte, blieb der Netzprozessor tot.
»Verdammter Mist!« Erick schlüpfte vorsichtig in seinen Bordanzug, um die nanonischen Medipacks nicht zu beschädigen. Zwei Mannschaftsdienstgrade hatten vor seinem Büro Posten bezogen. Beide trugen Thermoinduktionskarabiner. Sie salutierten, als Erick aus der Tür trat.
»Wo finde ich den Lieutenant-Commander?« erkundigte sich Erick.
»Sir, er hat gesagt, daß er ins Hospital gehen will, Sir.«
»Mist. Also schön. Sie beide kommen mit mir. Wir verschwinden von diesem Asteroiden, und zwar auf der Stelle.«
»Sir?«
»Das war ein Befehl, Mister. Aber für den Fall, daß Sie einen Anreiz brauchen: Die Besessenen sind hier.«
Die beiden Soldaten wechselten einen besorgten Blick. »Aye, Sir.«
Erick ging die Lagepläne des Asteroiden durch, während sie durch die Diensträume eilten und nach draußen in die öffentliche Halle traten. Dann forderte er eine Liste der angedockten Schiffe. Gegenwärtig waren es nur fünf, eine davon die Villeneuve’s Revenge, womit seine Auswahl auf vier Schiffe sank.
Ericks neurale Nanonik entwickelte eine Route zur Axialkammer, die jegliche automatische Fortbewegung ausließ. Siebenhundert Meter, davon zweihundert Meter Treppen. Wenigstens würde die Gravitation auf dem Weg nach oben ständig abnehmen.
Sie gingen hintereinander, mit Erick in der Mitte. Er befahl den beiden Soldaten, ihre Nanoniken in Kampfbereitschaft zu versetzen. Menschen blieben stehen und starrten ihnen nach, während sie mitten durch die Halle marschierten.
Noch sechshundert Meter. Und die erste Treppenflucht lag unmittelbar vor ihnen. Plötzlich begann die Deckenbeleuchtung der Halle zu flackern.
»Lauft!« befahl Erick.
Kingsley Pryors Zelle maß fünf mal fünf Meter. Sie war ausgestattet mit einer Pritsche, einer Toilette und einem Waschbecken. An der Wand gegenüber dem Bett befand sich eine kleine AV-Linse, die Zugriff auf die Sendungen einer einheimischen Mediengesellschaft ermöglichte. Jede Oberfläche – Möbel, Wände, Boden und Decke – bestand aus dem gleichen blaugrauen, glatten, nicht haftenden Komposit. Die Zelle war vollständig abgeschirmt; eine Datavis-Übertragung nach draußen war unmöglich.
Im Verlauf der letzten vier Stunden hatte die Deckenbeleuchtung immer wieder unregelmäßig geflackert. Zuerst hatte Kingsley gemeint, es wäre eine Masche der lokalen Polizei, um ihn zu schikanieren.
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