Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
vonstatten.«
»Wollen Sie auf dem Mars leben, wenn Sie eines Tages mit der Raumfahrt aufhören?«
»Ich wurde auf dem Phobos geboren; ich empfinde einen Himmel über mir als unnatürlich. Zwei meiner Kinder leben in Thoth City. Ich besuche sie, wann immer ich Zeit habe, aber ich glaube nicht, daß ich mich an ein Leben dort unten gewöhnen könnte. Nach all der Zeit hat unsere Nation angefangen, sich zu verändern. Nicht schnell und radikal, aber trotzdem spürbar.«
»Wie? Wie kann sich der Kommunismus verändern?«
»Durch Geld natürlich. Jetzt, da das Terraform-Projekt nicht mehr jeden Fuseodollar verbraucht, den unsere staatlichen Industrien einnehmen, gibt es gewaltige Mittel, die in die Ökonomie fließen können. Die jüngere Generation kann nicht mehr ohne ihre importierten AV-Blocks und MF-Alben und importierten Kleider leben. Sie legen derart viel Wert auf diese Statussymbole, daß sie die Produkte unserer eigenen Gesellschaft ignorieren, nur um den Unterschied hervorzuheben. Sie betrachten es als Originalität. Außerdem können sie sich über einen ganzen Planeten ausdehnen, wie sie wollen. Einige von uns Älteren befürchten sogar, daß sie sich auf das freie Land absetzen und sich ganz von uns lossagen könnten. Wer weiß? Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, wenn sie unsere Grundsätze verwerfen. Schließlich ist es ihre Welt. Wir haben sie errichtet, damit sie ihre Freiheit genießen können. Würden wir versuchen, ihnen die alten Beschränkungen aufzuerlegen, wäre das die größte Dummheit. Soziale Evolution ist von grundlegender Bedeutung, wenn eine ethnische Nation überleben soll, und fünf Jahrhunderte sind eine verdammt lange Zeit, in der sich nichts bewegt hat.«
»Also würden Sie nicht versuchen, wenn die Leute Land für sich in Anspruch nehmen, es wieder zurückzukonfiszieren?«
»Konfiszieren? Das klingt sehr böswillig, Mrs. Kavanagh. Behaupten die Kommunisten auf Ihrer Heimatwelt etwa, daß so etwas geschehen würde?«
»Ja. Sie möchten, daß der Reichtum von Norfolk gerecht verteilt wird.«
»Schön, dann sagen Sie ihnen von mir, daß es nicht so funktioniert. Sie verursachen nur noch mehr Streitigkeiten, wenn sie versuchen, die Dinge gewaltsam zu ändern. Man kann Menschen keine Ideologie aufzwängen, wenn sie nicht aus ganzem Herzen dahinterstehen. Die lunare Nation funktioniert, weil sie vom ersten Augenblick an, in dem unsere Städte ihre Unabhängigkeit von den Konzernen erlangt haben, so geplant war. Es ist das gleiche Konzept wie auf Norfolk; der Unterschied zwischen Ihren und unseren Gründern ist lediglich, daß Ihre Vorfahren eine pastorale Verfassung beschlossen haben. Bei uns funktioniert der Kommunismus, weil jeder ihn unterstützt. Das Netz gestattet uns, nahezu jede Form von Korruption innerhalb der Verwaltung und der lokalen Regierungen zu eliminieren, die uns früher so sehr zu schaffen gemacht haben. Wenn es den Menschen nicht paßt, dann verschwinden sie eher, bevor sie versuchen, unser System zu zerstören. Ist das auf Norfolk nicht ganz genauso?«
Louise dachte an das, was Carmitha erzählt hatte. »Es ist schwer für die Landarbeiter. Passagen zu anderen Planeten sind extrem teuer.«
»Das denke ich mir. Wir haben Glück; das O’Neill-Halo nimmt all unsere Unzufriedenen auf. Auf einigen Asteroiden sind ganze Ebenen mit niedriger Schwerkraft ausschließlich von lunaren Emigranten bewohnt. Unsere Regierung bezahlt sogar die Tickets. Vielleicht sollten Sie das auch auf Norfolk versuchen. Das ist doch der ganze Sinn hinter der Verschiedenheit der konföderierten Nationen, jede nur denkbare Kultur zu ermöglichen. Es gibt keinen wirklichen Grund für interne Konflikte.«
»Das ist eine reizvolle Vorstellung. Das muß ich unbedingt Daddy erzählen, wenn wir wieder zurückkommen. Ich bin sicher, daß eine einfache Passage zu einer anderen Welt billiger ist, als jemand zu den Arbeitslagern in der Arktis zu verbannen.«
»Warum wollen Sie mit Ihrem Vater darüber reden? Warum setzen Sie sich nicht selbst dafür ein?«
»Niemand würde mir zuhören.«
»Sie werden nicht immer so jung sein.«
»Ich meinte nicht, weil ich so jung bin. Ich bin eine Frau.«
Endron blickte sie stirnrunzelnd an. »Ich verstehe. Vielleicht sollten Sie sich lieber zuerst für die Gleichberechtigung einsetzen. Sie hätten vom ersten Tag an die halbe Bevölkerung auf Ihrer Seite.«
Louise lächelte unbehaglich. Es gefiel ihr nicht, daß sie ihre Heimatwelt vor den sarkastischen
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