Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
und die Basis des Schiffes auf. Ohne die träge Masse einer Fracht ging das Manövrieren um einiges leichter und schneller vonstatten als gewöhnlich. Die Leonora Cephei rotierte um neunzig Grad, dann erwachten die Sekundärantriebe zum Leben und schoben das Schiff über den Rand des Raumhafens hinweg nach draußen.
Noch bevor die Leonora Cephei fünf Kilometer weit gekommen war, sank die Villeneuve’s Revenge in das wartende Landegestell von Bai WJR-99. Kommandant André Duchamp bat per Datavis darum, die Vorräte an Helium-III und Deuterium aufzufüllen. Seine Treibstoffreserven waren auf zwanzig Prozent gesunken, erzählte er, und er hätte noch eine lange Reise vor sich.
Die Wolken über Chainbridge bildeten einen dichten unbeweglichen Klumpen aus düsterem Karminrot mitten unter den rubinfarbenen Bändern, die über den Rest des Himmels zogen. Stephanie stand hinter Moyo, der den Bus in Richtung der Stadt lenkte. Sie spürte die gleichermaßen dunklen Bewußtseine, die sich zwischen den Gebäuden drängten. Weit mehr, als nach dem äußeren Anschein zu erwarten war; Chainbridge war zwar ein aufstrebendes, aber nichtsdestotrotz kleines Dorf.
Moyo dachte das gleiche wie sie. Er nahm den Fuß vom Gaspedal. »Was sollen wir tun?«
»Wir haben keine große Wahl. Dort ist die Brücke, und unsere Fahrzeuge müssen aufgeladen werden.«
»Also durch?«
»Durch. Ich kann einfach nicht glauben, daß jetzt noch jemand den Kindern etwas antun will.«
Die Straßen von Chainbridge waren mit geparkten Wagen vollgestellt. Entweder militärische Jeeps oder Geländewagen oder leichte gepanzerte Infanterietransporter. Überall lungerten träge Besessene herum. Mit ihren bunten Tarnanzügen, den schweren Schnürstiefeln und den über die Schulter geschlungenen Gewehren erinnerten sie Moyo an die revolutionären Guerillas von der Erde des zwanzigsten Jahrhunderts.
»Oh-oh«, sagte Moyo. Sie waren auf dem Dorfplatz angekommen, einem hübschen gepflasterten Rechteck, das von großen einheimischen Leghorn-Bäumen umgeben war. Zwei leichte Panzer waren mitten auf der Straße in Stellung gegangen, unglaublich archaische Fahrzeuge mit dicker Eisenpanzerung und brabbelnden Maschinen, die rußige Dieselwolken ausstießen. Doch die gleiche primitive Bulligkeit war es auch, die ein unübersehbares Gefühl von Bedrohung erweckten.
Der Karma-Crusader hatte bereits angehalten. Die billigen, überschwenglichen Farben wirkten vor der massiven Panzerung der Kettenfahrzeuge absurd. Moyo brachte den Bus ebenfalls zum Stehen.
»Du bleibst hier drin«, sagte Stephanie und drückte seine Schulter. »Die Kinder brauchen jemanden. Sie haben Angst.«
»Ich auch«, stöhnte Moyo.
Stephanie stieg auf das Pflaster hinunter. Aus ihrer Nasenwurzel wuchs eine Sonnenbrille; es sah aus wie ein Schmetterling, der die Flügel ausbreitet.
Cochrane stritt bereits mit zwei Soldaten, die sich vor den Panzern aufgebaut hatten. Stephanie trat hinter ihn und lächelte freundlich. »Ich würde gerne mit Annette Eklund sprechen«, sagte sie. »Würden Sie ihr sagen, daß wir hier sind?«
Einer der beiden starrte auf den Karma-Crusader und die neugierigen Kinder, die ihre Gesichter von innen gegen die Scheiben drückten. Dann nickte er, drehte sich um und verschwand hinter den beiden Panzern.
Einige Minuten später kam Annette Eklund aus dem Gebäude der Stadtverwaltung. Sie trug eine schicke graue Uniform und eine dazu passende Lederjacke, die mit purpurner Seide gesäumt war.
»Oh, wow«, sagte Cochrane, als sie näher kam. »Mrs. Hitler höchstpersönlich.«
Stephanie warf ihm einen mißbilligenden Blick zu.
»Wir haben gehört, daß ihr herkommen würdet«, sagte Annette Eklund mit müder Stimme.
»Und warum haben Sie dann die Straße blockiert?« erkundigte sich Stephanie.
»Weil ich es kann, was denn sonst. Verstehst du denn überhaupt nichts?«
»Also schön. Sie haben demonstriert, daß Sie das Sagen haben. Keiner von uns hat auch nur die leiseste Absicht, Sie herauszufordern. Können wir jetzt bitte weiterfahren?«
Annette Eklund schüttelte verwundert den Kopf. »Ich mußte euch mit eigenen Augen sehen. Was glaubt ihr, was ihr mit diesen Kindern macht? Meint ihr vielleicht, ihr könnt sie retten?«
»Ehrlich gesagt – ja. Es tut mir leid, wenn Ihnen das zu einfach klingt, aber die Kinder sind wirklich alles, was mich interessiert.«
»Wenn dir die Kinder wirklich etwas bedeuten, dann hättest du sie allein gelassen. Auf lange Sicht wäre
Weitere Kostenlose Bücher