Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
trotzdem leben wir immer noch wie streunende Hunde in diesen armseligen Hütten, ernähren uns von dem, was wir zu essen kriegen, lassen uns gängeln und uns sagen, wo wir hin dürfen und wo nicht. Und Rubra ist derjenige, dem wir das verdanken. Wir besitzen sogar Raumschiffe, verdammt noch mal! Wir können schneller zu einem anderen Sternensystem fahren, als ein Herz braucht, um einmal zu schlagen. Aber wenn wir von hier zur Abschlußkappe wollen, dann müssen wir zu Fuß gehen. Und warum? Weil dieser Dreckskerl Rubra uns daran hindert, die Vakzüge zu benutzen. Und wir, wir haben ihm das bis zu diesem Augenblick durchgehen lassen. Damit ist es jetzt vorbei!«
– Wirklich bemerkenswert leidenschaftlich, diese Lady, sagte Dariat unbehaglich.
– Ich würde eher sagen, sie ist eine verdammte Psychopathin. Niemand wird sich Bonney widersetzen. Niemand hat genug Mut dazu. Sie wird Truppen aufstellen und nach dir aussenden. Ich kann dich nicht vor einem ganzen Habitat voller Besessener schützen, die alle Jagd auf dich machen. Glaub mir, Junge, das ist die Wahrheit.
– Ja. Das sehe ich selbst. Dariat ging zum Feuer im hinteren Teil der Höhle. Es war fast niedergebrannt und bestand nur noch aus einer kleinen Pyramide von Kohlen, die von dicker grauer Asche überzogen waren. Er stand dort und blickte hinein, und er spürte die Wärme, die in den schwach glühenden Brocken schlummerte.
Ich muß eine Entscheidung treffen. Ich kann Rubra nicht schlagen. Und Kiera wird Rubra zerstören, sobald sie zurück ist. Dreißig Jahre lang wäre mir nichts lieber gewesen als das. Dreißig verdammt Jahre lang. Mein gesamtes Leben.
Und jetzt ist er willens, seine mentale Integrität zu opfern, meine Gedanken bei sich aufzunehmen. Er ist bereit, seine seit zwei Jahrhunderten gehegte Überzeugung aufzugeben, daß er es ganz alleine schaß.
Tatiana rührte sich unter der Decke. Sie setzte sich auf, und ihre Armreifen klimperten laut. Die schläfrige Verwirrung schwand aus ihrem Gesicht. »Das war vielleicht ein merkwürdiger Traum«, sagte sie und musterte Dariat mit einem abschätzenden Blick. »Andererseits leben wir in merkwürdigen Zeiten, oder?«
»Was hast du denn geträumt?«
»Ich war in einem Universum, daß zur Hälfte aus Licht, zur anderen Hälfte aus Dunkelheit bestand. Und ich bin aus dem Licht gefallen. Dann hat Anastasia mich aufgefangen, und wir sind wieder nach oben ins Licht geflogen.«
»Klingt wie deine Errettung.«
»Was ist los?«
»Die Dinge kommen in Bewegung. Das bedeutet, daß ich entscheiden muß, wie es weitergeht. Und ich will nicht, Tatiana. Ich habe dreißig Jahre damit verbracht, keine Entscheidung zu fällen, mir dreißig Jahre lang eingeredet, daß ich auf eine Zeit wie diese hier warte. Ich war dreißig Jahre lang ein dummer Junge.«
Tatiana erhob sich und stellte sich zu ihm. Er wich ihrem Blick aus, also legte sie vorsichtig die Hand auf seine Schulter. »Und was mußt du entscheiden?«
»Ob ich Rubra helfen soll. Ob ich zu ihm in das neurale Stratum von Valisk gehen soll und dieses Habitat zu einem besessenen Habitat machen soll.«
»Das will er?«
»Ich glaube nicht. Aber er ist wie ich; uns bleibt beiden keine große Wahl mehr. Das Spiel ist aus, und allmählich wird die Zeit knapp.«
Sie streichelte ihn abwesend. »Was auch immer du entscheidest, ich möchte nicht, daß du auf mich Rücksicht nimmst. Es steht zuviel auf dem Spiel, viel zuviel. Individuen sind nicht so wichtig, und ich habe Bonney eine gute Jagd geliefert, oder nicht? Wir haben sie ziemlich geärgert, eh? Und es hat eine Menge Spaß gemacht.«
»Aber Individuen sind wichtig. Ganz besonders du, Tatiana. Es ist eigenartig, aber ich habe das Gefühl, als hätte sich der Kreis geschlossen. Anastasia hat immer gesagt, wie wertvoll das Leben eines einzelnen ist. Und jetzt muß ich über dein Schicksal entscheiden. Ich kann nicht zulassen, daß du leidest, und genau das wird geschehen, wenn Rubra und ich vereint gegen die Besessenen vorgehen. Ich bin verantwortlich für Anastasias Tod, und ich will nicht auch noch dein Blut an meinen Händen haben. Wie könnte ich ihr jemals gegenübertreten mit einer solchen Schuld? Ich kann sie nicht belügen. Du weißt, daß ich es nicht kann.« Er legte den Kopf zurück und rief mit wütend erhobener Stimme: »Du glaubst wahrscheinlich, du hättest gewonnen, was?«
– Ich wußte nicht einmal, daß wir gegeneinander kämpfen, bis diese Besessenen kamen, erwiderte Rubra traurig. –
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