Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
legst dich jetzt wieder in dein warmes Bett und schläfst dich aus. Morgen komme ich vorbei und besuche dich.« Sie half Jay, die Bettdecke aufzuschütteln, und gab dem Kind einen weiteren Kuß. Jay schnüffelte erneut, doch sie schwieg.
»Und?« fragte Kelly leise zur Decke gewandt, nachdem sie das Zimmer verlassen hatte. »Du hast zugesehen, du weißt, daß diese Sache ernst ist. Ich möchte mit der Lady Ruin sprechen.«
Der Netzprozessor der pädiatrischen Klinik öffnete einen Kanal zu Kellys neuraler Nanonik. »Ione Saldana empfängt Sie sofort«, sagte Tranquility per Datavis. »Bitte bringen Sie die relevanten Aufzeichnungen mit.«
Obwohl Parker Higgens, wie er meinte, exzellente Beziehungen zur Lady Ruin unterhielt, durchfuhren ihn immer noch eisige Schauer, wenn sie ihn mit einem ihrer erwartungsvollen Blicke bedachte.
»Aber ich weiß wirklich nichts über die Tyrathca, Ma’am«, beschwerte er sich. Er war aus dem tiefsten Schlaf gerissen worden, um an einer höchst außergewöhnlichen Krisenbesprechung teilzunehmen, und er war noch nicht wieder richtig wach. Und die Sens-O-Vis-Aufzeichnungen von Coastuc-RT und der merkwürdigen silbernen Konstruktion, welche die Arbeiterkaste der Tyrathca mitten im Dorf errichtet hatte, trugen nicht das geringste dazu bei, daß er seine Fassung wiederfand.
Er blickte hilfesuchend zu Kempster Getchell und stellte fest, daß der Astronom die Augen geschlossen hatte, um die Aufzeichnung ein zweites Mal anzusehen.
»Aber Sie sind die einzigen Xeno-Spezialisten, die ich fragen könnte, Parker.«
»Laymil-Spezialisten, Ma’am.«
»Seien Sie nicht spitzfindig. Ich benötige Ihren Rat, und ich benötige ihn schnell. Wie bedeutsam ist dieses Ding?«
»Nun … Ich denke, bis zu diesem Zeitpunkt war uns unbekannt, daß die Tyrathca eine Religion besitzen«, begann er.
»Das war es tatsächlich«, bestätigte Kelly. »Ich habe Nachforschungen in den Datenbanken von Collins angestellt. Sie sind genauso leistungsfähig wie ein Universitätsbibliothek. Und ich konnte nicht einen einzigen Hinweis auf einen Schlafenden Gott entdecken.«
»Genausowenig wie die Kiint, will mir scheinen«, sagte Parker Higgens. »Und sie sind tatsächlich zu Ihnen gekommen und haben Sie wegen dieser Aufzeichnung geweckt?«
»Ganz genau.«
Parker war ein wenig verstimmt angesichts des ungebührlichen äußeren Erscheinungsbilds der Reporterin, die in einer Ecke des großen Sofas in Iones privatem Arbeitszimmer saß und sich einen dicken Cardigan über die Schultern gezogen hatte, als herrschte tiefster Winter.
In den letzten fünf Minuten hatte sie heißhungrig ein Lachssandwich nach dem anderen von der großen Platte auf der Lehne des Sofas genommen und in ihren Mund gestopft.
»Nun, Ma’am, jedenfalls bin ich richtig erleichtert zu sehen, daß selbst die Kiint offensichtlich nicht alles wissen.« Ein Hausschimp reichte ihm unaufdringlich einen Becher mit Kaffee.
»Was aber nicht die Frage klärt, ob diese Entdeckung bedeutsam ist«, entgegnete Ione. »Waren die Kiint einfach nur so überrascht, weil sie nichts von diesem Mythos eines Schlafenden Gottes wußten, daß Lieria zu Kelly gelaufen ist, um sich den Beweis zu holen? Oder hat sie Auswirkungen auf unsere gegenwärtige Situation?«
»Es ist kein Mythos«, sagte Kelly mit vollem Mund. »Genau das habe ich nämlich gegenüber Waboto-HAU angedeutet, und fast hätte ich deswegen seine verdammten Soldaten am Hals gehabt. Die Tyrathca glauben fest an ihren Schlafenden Gott. Total verrückt, diese Rasse.«
Parker rührte geistesabwesend in seinem Kaffee. »Ich hätte niemals gedacht, daß die Kiint wegen irgend etwas so aufgeregt sein könnten. Und ich habe noch nie erlebt, daß sie irgend etwas überstürzen, was sie heute nacht ganz offensichtlich getan haben. Ich würde vorschlagen, daß wir diesen Schlafenden Gott in seinem Kontext untersuchen sollten. Ihnen ist sicherlich gewärtig, Ma’am, daß die Tyrathca nicht über die geringste Phantasie verfügen? Was bedeutet, daß sie überhaupt nicht wissen, was eine Lüge ist. Die Tyrathca haben eine Menge Probleme damit, die Falschheiten der Menschen zu verstehen. Was bei den Tyrathca einer Lüge noch am nächsten kommt, ist das Zurückhalten von Informationen.«
»Sie meinen, es gibt tatsächlich einen Schlafenden Gott?« fragte Kelly.
»Zumindest muß hinter dieser Geschichte ein Kern von Wahrheit stecken«, antwortete Parker Higgens. »Die Tyrathca sind eine extrem formalisierte
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