Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
Beinen. Alle anderen lagen auf dem Boden, entweder flach ausgestreckt oder in einer fetalen Stellung zusammengerollt. Tische waren umgestoßen worden, einige Barhocker drehten sich noch. Die Musik lief weiter, als wäre nichts geschehen, genauso wie die Hologramme auf der Tanzfläche.
Joshua vernahm ein eigenartiges metallisches Klicken, als frische Magazine in die Waffen gerammt wurden.
Geschosse hatten die Wand hinter den Besessenen zerfetzt und das Komposit der Paneele durchlöchert. Blutlachen bedeckten Boden und Wände. Die beiden Leichen …
Joshua zuckte zusammen, als er die Überreste sah. Es gab nicht mehr viel, um sie als Menschen zu identifizieren. Ein Programm zur Unterdrückung von Übelkeit ging in den Primärmodus, doch es verhinderte nur die physischen Symptome.
Stöhnen und Schreie erhoben sich über den Lärm der Musik. Mehrere Gäste der KF-T-Bar waren von Querschlägern getroffen worden.
»Joshua!« Es war Sarha. Sie hatte die Hand auf Ashlys linken Oberschenkel gepreßt. Blut färbte ihre Finger rot. »Er wurde getroffen!«
Der Pilot starrte mit einem ruhigen, fast morbiden Interesse auf die Wunde. »So was Dummes«, brummte er und blinzelte verwirrt.
»Ione!« rief Joshua. »Nanonische Medipacks!«
Einer der Sergeants nahm ein Medipack aus seinem Gürtel. Beaulieu schlitzte Ashlys Hose mit einer kleinen Metallklinge auf, die aus einem ihrer Unterarmsockel geglitten war. Grau-grüner Schleim sickerte aus einem Einschußloch in ihrer messingfarbenen Brustplatte.
»Seid nur vorsichtig, ja?« murmelte Ashly.
Als die Wunde zur Gänze freigelegt war, preßte Sarha das Medipack darauf.
»Los, laßt uns von hier verschwinden«, sagte Joshua. »Beaulieu, du nimmst Melvyn. Sarha und ich übernehmen Ashly. Ione, ihr gebt uns Deckung.«
»Halt, einen Augenblick«, sagte einer der Geheimagenten. Joshua erkannte ihn als einen der schwergewichtigen Typen, die Pauline Webb begleitet hatten. »Sie bleiben hier, bis die Polizei eingetroffen ist.«
Einer der Männer hinter dem Tresen hatte sich rasch genug erholt, um an die finanziellen Möglichkeiten zu denken, wenn er die ganze Szene in einer Speicherzelle aufnahm. Später am Tag und fast die gesamte darauffolgende Nacht wurde sie von allen Nachrichtensendern ununterbrochen wiederholt. Sechs schwerbewaffnete Männer, die auf einen jungen Raumschiffskommandanten (der zum Zeitpunkt der Ausstrahlung längst als der berühmte Joshua »Lagrange« Calvert persönlich erkannt worden war) und seine Besatzung einbrüllten. Der Kommandant sagte, daß niemand ihn daran hindern würde, seinen verletzten Freund dorthin zu bringen, wo er ordentlich versorgt werden konnte. Und welche Vollmacht sie eigentlich besäßen? Vier identisch aussehende und bedrohliche Kosmoniken standen zwischen Calvert und den bewaffneten Männern. Eine kurze Pause entstand, dann schienen die Waffen wie von Geisterhand zu verschwinden. Die Raumschiffsbesatzung verließ die Bar und führte ihre Verwundeten mit sich.
Die Nachrichtensprecher spekulierten lange und laut über die Möglichkeit, daß die sechs bewaffneten Männer Geheimagenten fremder Regierungen waren. Reporter waren überall auf dem Asteroiden unterwegs, um sie aufzuspüren – ohne jeden Erfolg.
Die Polizei bestätigte offiziell, daß die beiden von den Agenten Erschossenen besessen gewesen waren (obwohl sie keine Details nannte, woher sie das so genau wußte). Der Regierende Rat des Ayacucho gab eine Verlautbarung heraus und ermahnte die Bürger, ruhig zu bleiben. Die Suche nach weiteren Besessenen und deren Identifikation hatte absolute Priorität, und die Einwohner wurden um ihre Mithilfe gebeten.
Es gab keine offenen Hinweise auf eine Panik; keine wütenden Mobs, die sich in den Biokavernen zusammenrotteten oder vor dem Ratsgebäude demonstrierten. Die Menschen hatten zuviel Angst vor dem, was vor ihren Appartementtüren lauerte. Die Gesellschaften und Geschäfte, die noch offen geblieben waren, schlossen nun ebenfalls oder wickelten ihre Geschäfte nur noch über das Kommunikationsnetz ab; jeglicher persönliche Kontakt wurde so weit wie möglich vermieden. Eltern nahmen ihre Kinder aus den Tagesstätten. Die Notdienste wurden in volle Bereitschaft versetzt. Sicherheitspersonal wurde der Polizei unterstellt, um bei der Suche zu helfen.
Gegen Nachmittag hatte man mehreren Raumschiffen von oberster Stelle offizielle Flugerlaubnis erteilt. Hauptsächlich brachten sie Ratsmitglieder sowie deren Angehörige und
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