Armageddon 05 - Die Besessenen
dreihundert Jahre alten Cognacglas, ohne das selbstzufrieden grinsende Gesicht anzublicken.
»Ich gestehe, daß Louise etwas äußerst Anziehendes besitzt. Naivität, könnte man vermuten. Naivität wirkt immer anziehend, insbesondere, wenn sie mit jugendlicher Schönheit verbunden auftritt. Die irdischen Mädchen sind alle so … direkt. Louise hat Manieren, Würde und stammt aus einem vornehmen Haus. Auch das fehlt den hiesigen Frauen.«
»Das ist keine Naivität, das ist pures Unwissen.«
»Seien Sie doch nicht so herzlos. Sie wären auf Norfolk gleichermaßen verloren. Ich bezweifle ernsthaft, daß Sie sich dort ohne Probleme zurechtfinden würden.«
»Warum sollte irgend jemand auf der Welt, ganz zu schweigen von mir, nach Norfolk wollen?«
Westeuropa setzte den Schwenker an die Lippen und kippte den Rest des Inhalts in einem Zug hinunter. »Das ist genau die Antwort, die man von jemandem erwartet, der so dekadent und abgestumpft ist wie Sie. Ich habe Angst, daß eines Tages der gesamte Planet so denken könnte. Warum machen wir uns überhaupt die Arbeit, sie zu beschützen?«
»Tun wir doch gar nicht«, kicherte O’Neill-Halo. »Ihr Speichertransfer scheint beeinträchtigt zu sein. Wir schützen lediglich uns selbst. Die Erde ist unsere Zitadelle.«
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6. Kapitel
Es war, als wäre der Weltraum in das fahle Licht einer winterlichen Sonne getaucht. Der Monterey bewegte sich auf eine Konjunktion mit New California zu und sank tiefer und tiefer in den Schatten der Eklipse. Al blickte durch die großen Fenster der Nixon-Suite und sah, wie die Schatten draußen in schwarze Pools aus Nichts expandierten. Die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden verschwand langsam außer Sicht. Einzig die kleinen Positionslampen auf den Wärmepaneelen und Kommunikationsantennen verrieten, daß sie nicht ganz aus dem Universum verschwunden waren. Auch die Flotte der Organisation war nicht mehr zu sehen, bis auf die Navigationslichter und gelegentliche blaue Abgasflammen des einen oder anderen Korrekturtriebwerks.
Unter Al Capones Füßen glitt New California durch den leuchtenden Sternenhimmel, eine golden-grüne Aura um einen leeren schwarzen Kreis. Aus dieser Höhe waren keine nächtlich beleuchteten Städte zu erkennen, kein kunstvolles Netz aus Fernverkehrswegen, das die Kontinente umspannte. Nichts, das auch nur entfernt auf die Existenz der Organisation hingedeutet hätte.
Jezzibella schlang von hinten die Arme um ihn und stützte das Kinn auf seine Schulter. Ein milder Duft wie von Wald am frühen Morgen erfüllte die Luft. »Kein Anzeichen von roten Wolken«, sagte sie aufmunternd.
Er hob eine ihrer Hände an die Lippen und küßte sie. »Nein. Das bedeutet wohl, daß ich hier immer noch die Numero Uno bin.«
»Selbstverständlich bist du das.«
»Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, nach allem, was ich von ihnen gehört habe. Nicht nur, was sie sagen. Was sie denken, zählt eine ganze Menge mehr.«
»Das wird sich legen, sobald die Flotte wieder unterwegs ist.«
»Sicher«, schnaubte Al. »Und wann soll das sein, eh? Dieser beschissene Luigi. Ich hätte ihn doch erledigen sollen, diesen kleinen Mistkerl. Es dauert mindestens noch zwanzig oder dreißig Tage, bis wir genügend Antimaterie beisammen haben, um eine weitere Invasion zu beginnen. Sagt Emmet jedenfalls. Und das bedeutet sechs Wochen, ich kenne das. Gottverdammt! Ich verliere die Kontrolle, Jez. Ich verliere gottverdammt noch mal die Kontrolle!«
Jezzibellas Griff verstärkte sich. »Sei nicht albern, Al. Du wußtest von Anfang an, daß es Rückschläge geben würde.«
»Ich kann mir aber keinen Rückschlag leisten. Nicht jetzt! Die Moral ist auf dem absoluten Nullpunkt angelangt da draußen! Du hast selbst gehört, was Leroy gesagt hat. Besessene Besatzungen fliegen zur Oberfläche und machen Urlaub und kehren nicht wieder an Bord zurück. Sie glauben, daß ich die Kontrolle über den Planeten verliere und daß sie besser dran sind dort unten, wenn es soweit ist.«
»Dann laß Silvano von der Leine, damit er für Ordnung sorgt.«
»Vielleicht. Aber es gibt für alles eine Grenze, weißt du?«
»Bist du sicher, daß du den Zeitpunkt für die nächste Invasion nicht vorverlegen kannst?«
»Ja.«
»Dann brauchen wir etwas anderes, um die Soldaten und Offiziere auf Trab und bei der Stange zu halten.«
Er wandte sich zu ihr um. Sie trug wieder eins von diesen Hurenkleidern, winzige Streifen aus dünnem gelbem Stoff auf der
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