Armageddon 05 - Die Besessenen
Sie wehte nach außen, was die Serjeants beunruhigte. Luft war zu einem begrenzten Gut geworden. Schlammströme wanden sich träge über den Rand und tropften über die Klippe ins Nichts wie Kerzenwachs. Sonst war nichts zu sehen. Keine Abwechslung in der Uniformität des mitternachtsblauen Universums, die auf einen anderen Körper hingedeutet hätte, weder klein noch groß. Langsam dämmerte in allen die Erkenntnis, daß sie auf sich allein gestellt waren.
Einzig und allein Cochrane schob sich ganz bis an den Rand und spähte hinab in die unendliche Leere, durch die ihre Insel trieb. Dann breitete er die Arme aus und warf den Kopf in den Nacken. Der Wind zerzauste seine Haare.
»WAAAAAHOOOOO!« kreischte er und führte einen richtiggehenden Veitstanz auf. »Ich bin auf einer verdammten fliegenden Insel! Könnt ihr euch das vorstellen? Ich bin allen Ernstes auf einer beschissenen fliegenden Insel gelandet!«
----
11. Kapitel
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund glitten die verdrehten schwarzen Schleier aus Dunst immer wieder zur Seite und ließen Valisk ungehindert durch. Nicht ein einziger von ihnen hatte das große Habitat je berührt. Die Habitat-Persönlichkeit war noch immer unschlüssig, was die Bewegung außerhalb der Schale verursachte. Ohne gültige Referenzpunkte war es auch unmöglich festzustellen, ob die Schleier einfach vorbeizogen, oder ob das Habitat auf einer Reise in das Unbekannte war. Die Identität, Struktur und Quantensignatur des neuen Kontinuums blieben ein komplettes Rätsel. Sie wußten bisher nicht einmal, ob die schwarzen Nebel aus Materie bestanden. Nur eines war sicher: Außerhalb der Hülle herrschte ein Vakuum wie im Weltraum.
Rubras erwachte Brigade von Nachkommen hatte beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die MSVs des Raumhafens in automatische Sensorplattformen zu verwandeln. Fünf der Fahrzeuge waren bereits gestartet. Ihre chemischen Raketenantriebe brannten stetig, während sie in das Nichts rasten. Wenigstens die Verbrennung war eine Konstante, die in beiden Universen Gültigkeit zu besitzen schien. Was für elektronische Apparate ganz und gar nicht galt: Außerhalb der Polypschale arbeiteten nur die allereinfachsten Schaltkreise, und selbst diese stellten mit zunehmender Entfernung zum Habitat ihre Funktion ein. In einer Entfernung von vielleicht hundert Kilometern schließlich versagten selbst die Energiezellen. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war auch die Informationsübertragung auf nahezu null gefallen – eine Information für sich. Das fremde Kontinuum besaß einen immanent dämpfenden Effekt auf jegliche elektromagnetische Strahlung. Wahrscheinlich lag darin der Grund für die düstere Lautlosigkeit des Nebels. Die Physiker gelangten zusammen mit der Persönlichkeit zu der Hypothese, daß der Effekt die Orbitale der Elektronen beeinflußte, was wiederum einige der elektrischen und biochemischen Probleme erklärte, die ihnen zu schaffen machten.
Das gigantische Gewirr aus schwarzem Dunst wich auch den Sonden aus und machte es unmöglich, eine Probe einzusammeln. Radar war völlig nutzlos. Selbst die Peilmaser waren kaum zu mehr imstande, als die gestarteten Sonden zu verfolgen. Zehn Tage, nachdem die axiale Lichtröhre wieder in Betrieb genommen worden war, mußten sie eingestehen, daß sie völlig im Dunkeln tappten. Kein Experiment und keine Beobachtung hatten zu verwertbaren Daten geführt. Und ohne Daten konnten sie nicht einmal mit einer Theorie über ihre Rückkehr anfangen.
Im Gegensatz dazu nahm das Leben im Innern des Habitats nach und nach geordnetere Züge an, wenngleich es nicht unbedingt angenehmer wurde. Jeder der ehemaligen Besessenen benötigte die eine oder andere medizinische Behandlung. Am schlimmsten betroffen waren die Älteren, deren Possessoren das Gewebe rücksichtslos in die kräftigeren Formen eines jüngeren Körpers gepreßt hatten. Auch die Übergewichtigen litten stark, genau wie die Dünnen, die Kleinen, jeder, der eine andere Hautfarbe als sein Possessor gehabt hatte oder anderes Haar. Und die Gesichtszüge waren bei allen ohne Ausnahme manipuliert – eine Tatsache, die für die Besessenen so natürlich gewesen war wie das Atmen.
Valisk besaß nicht annähernd die Vorräte an nanonischen Medipacks, die erforderlich gewesen wären, um die gesamte Bevölkerung zu heilen. Die wenigen Packs aus den Kliniken arbeiteten mit extrem geringer Effizienz. Das medizinische Personal, das imstande gewesen wäre, sie korrekt zu
Weitere Kostenlose Bücher