Armageddon 05 - Die Besessenen
zurückzuverwandeln, mit stolzen weißen und goldenen Städten am Horizont. Er war von den letzten Hippies der Erde aufgezogen worden, und seine prägenden Jahre waren von dem liebenden Wissen erfüllt gewesen, daß Gemeinsamkeit alles war.
Dann war er achtzehn geworden, und zum ersten Mal in seinem Leben hatte die Realität zugebissen. Und sie hatte hart zugebissen: Er hatte sich eine Arbeit suchen müssen, eine Wohnung, und Steuern zahlen. Das war überhaupt nicht nett. Er hatte es verabscheut bis zu dem Tag, an dem sein Körper gestorben war.
Und jetzt hatte er einen neuen Körper gestohlen, und mit den fremdartigen Kräften, über die er seither verfügte, waren er und die anderen Besessenen auf dieser Welt ausgezogen, um sich ihre eigene Gaia zu erschaffen.
Einheit des Lebens war eine alles durchdringende, schleierähnliche Präsenz, die sich um den gesamten Planeten gelegt hatte und die strenge Ordnung des Universums ersetzte. Und weil sich die neuen Bewohner von Norfolk wünschten, daß es eine Dämmerung geben möge, gab es eben eine Dämmerung. Und wenn sie sich eine Nacht wünschten, verblaßte das Licht. Luca steuerte einen kleinen Teil seines Selbst an diese neue Gaia bei, einige seiner Wünsche, ein wenig von seiner Kraft, ein ständiges Bekenntnis des Dankes über diese neue Phase seiner Existenz.
Luca saß auf der Kante des riesigen Bettes und beobachtete, wie das Licht draußen außerhalb Cricklades an Intensität gewann; ein warmer silberner Schimmer, der vom Himmel herabsank und in seiner Uniformität nur wenige Schatten zurückließ. Mit dem Licht kam das Gefühl von Erwartung: ein neuer Tag, der allein wegen der Gelegenheiten zu schätzen war, die er bringen mochte.
Eine matte Dämmerung, farblos und langweilig, genau so, wie die sich anschließenden Tage geworden sind. Wir hatten einmal zwei Sonnen und liebten den Kontrast der Farben, die sie mit sich brachten, den Kampf der Schatten. Die Sonnen besaßen Kraft und Erhabenheit, und sie haben uns inspiriert. Aber das hier, das hier …
Die Frau auf dem Bett neben Luca streckte sich und rollte herum. Dann stützte sie das Kinn in die Hand und lächelte zu ihm herauf. »Guten Morgen«, gurrte sie.
Er lächelte zurück. Lucy war eine gute Gesellschafterin. Sie teilte viel von seiner Begeisterung und besaß den gleichen verschlagenen Sinn für Humor. Eine große Frau, mit phantastischer Figur, dichtem kastanienbraunem Haar, das bis über die Schultern fiel, kaum Mitte zwanzig. Er fragte nie, wieviel von ihrem Aussehen wirklich echt war und wieviel sie mit Hilfe ihrer energistischen Fähigkeiten zurechtgebogen hatte. Das Alter eines Wirtskörpers hatte sich rasch zu einem Tabu entwickelt. Luca betrachtete sich als modernen Menschen, dem es nichts ausmachte, mit einer Neunzigjährigen ins Bett zu steigen. Alter und Aussehen waren Konzepte, die hier eine andere Bedeutung besaßen. Trotzdem stellte er keine Fragen. Das Bild, das Lucy bot, mußte ausreichen.
Ein Bild, das Marjorie so ähnlich ist, daß es an Vergötterung grenzt. Ist es das, was Lucy in meinem Herzen sieht?
Luca gähnte ungehemmt. »Ich mache mich besser an die Arbeit«, sagte er. »Wir müssen heute morgen die Mühle inspizieren, und ich muß herausfinden, wieviel Saatgut tatsächlich noch in den Silos drüben in den westlichen Farmen des Gutes lagert. Ich glaube nicht, was die anderen sagen. Es stimmt nicht mit dem überein, was Grant Kavanagh weiß.«
Lucy setzte eine enttäuschte Miene auf. »Eine Woche im Himmel, und schon sind die Apokalyptischen Reiter hinter uns her.«
»Leider Gottes ist das hier nicht der Himmel, fürchte ich.«
»Das weiß ich doch selbst. Eigenartig, für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, wenn man tot ist. Mein Gott, was für eine Demütigung!«
»Der Lohn der Sünde, Lady. Immerhin hatten wir eine Wahnsinnsparty, ist das vielleicht nichts?«
Sie ließ sich auf das Bett zurücksinken, und ihre Zunge fuhr rasch über die Oberlippe. »Sicher, das hatten wir. Weißt du, ich war ziemlich gehemmt damals in meinem ersten Leben. Sexuell, meine ich.«
»Halleluja, eine Wunderheilung!«
Sie kicherte heiser, dann wurde sie wieder ernst. »Ich muß heute in der Küche helfen. Den Arbeitern das Mittagessen kochen und es dann zu ihnen hinaus auf die Felder bringen. Scheiße, ich komme mir vor wie bei einem Amisch-Festival. Und wieso eigentlich fallen wir wieder in unsere geschlechtsspezifischen Stereotypen zurück?«
»Was willst du damit
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