Armageddon 05 - Die Besessenen
sagen?«
»Daß nur wir Frauen kochen.«
»Nicht alle.«
»Die Mehrheit jedenfalls. Du solltest einen besseren Turnus für uns ausarbeiten.«
»Warum ich?«
»Weil du dich allem Anschein nach zu demjenigen entwickelst, der sagt, was getan wird. Ganz der kleine Baron.«
»Also schön, ich beauftrage dich hiermit, einen gerechten Plan zu entwickeln.« Er streckte ihr die Zunge heraus. »Du wärst wahrscheinlich eine hervorragende Sekretärin.«
Das Kissen traf ihn seitlich am Kopf und hätte ihn fast aus dem Bett geworfen. Er fing das nächste auf und legte es außerhalb ihrer Reichweite hin. »Das war nie meine Absicht«, sagte er ernst. »Die Leute sagen mir, was sie können, und ich schiebe ihnen den ersten passenden Job zu. Wir müssen bald eine Liste von Arbeiten und Fähigkeiten zusammenstellen.«
Sie stöhnte. »Bürokratie im Himmel! Das ist ja noch schlimmer als Sexismus.«
»Du kannst dich glücklich schätzen, daß wir noch keine Steuern eingeführt haben.« Er fing an, nach seiner Hose zu suchen. Zum Glück gab es in Cricklade Manor reichlich von Grant Kavanaghs hochwertiger Garderobe. Sie entsprach zwar nicht ganz Lucas Geschmack, doch sie paßte wenigstens perfekt. Und die Arbeitskleidung war strapazierfähig. Das ersparte ihm, neue Kleidung erträumen zu müssen. Es war schwieriger hier, in diesem neuen Universum. Es dauerte sehr lange, bis herbeigeträumte Gegenstände Form annahmen, aber wenn es schließlich geschah, dann besaßen sie mehr Substanz und hielten auch länger. Wenn man sich hart genug und lange genug auf die Veränderung von etwas Bestimmtem konzentrierte, dann wurde diese Veränderung sogar permanent und erforderte keinerlei Aufmerksamkeit mehr.
Doch das galt lediglich für inerte Objekte. Steine, Kleidung, Holz, selbst die wenige Maschinerie (nicht die elektronische) – all das ließ sich allein mit dem Verstand formen. Es war ein Glücksfall: Norfolks einfache technische Infrastruktur ließ sich relativ leicht reparieren. Auch physisches Aussehen konnte auf einen bloßen Wunsch hin verändert werden; Fleisch nahm nach und nach eine neue Form an – unausweichlich fester und jünger. Die Mehrzahl der Besessenen schien fest entschlossen, wieder ihr ursprüngliches Aussehen anzunehmen, auch wenn es, wie Luca vermutete, durch eine rosarote Brille verfälscht war. So viele wunderschöne Menschen auf so engem Raum zusammen war statistisch unwahrscheinlich.
Nicht daß die Eitelkeit ein Problem dargestellt hätte. Es gab nur ein wirkliches Problem in diesem neuen Leben, und das hieß Nahrung. Energistische Macht war nicht in der Lage, Essen herbeizuwünschen, ganz gleich, wie kreativ oder beharrlich man zu Werke ging. Selbstverständlich konnte man einen Teller mit einem Berg voller Kaviar füllen, doch sobald man die Illusion durchschaute, zeigte sich unter der glänzenden schwarzen Masse ein Haufen alter Blätter oder welches Rohmaterial man auch immer seinem Willen unterworfen hatte.
Ironie des Schicksals oder Spott – Luca konnte sich nicht recht entscheiden, wohin sie ihre Befreiung geführt hatte. Doch was auch immer es war – eine Ewigkeit Arbeit auf den Feldern war immer noch besser als eine Ewigkeit im Jenseits. Er zog sich fertig an und bedachte Lucy mit einem erwartungsvollen, leise tadelnden Blick.
»Schon gut«, brummte sie. »Ich steh’ ja schon auf. Keine Sorge, ich will mich nicht drücken.«
Er küßte sie. »Wir sehen uns später.«
Lucy wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, dann zog sie sich das warme Federbett zurück über den Kopf.
Die meisten Bewohner des Herrenhauses waren bereits wach und bei der Arbeit. Luca grüßte ein Dutzendmal nach rechts und links, während er nach unten ging. Auf dem Weg durch die breiten Korridore bemerkte er nach und nach den Zustand, in dem sich das große Gebäude befand. Offenstehende Fenster, durch die der nächtliche Regen Mobiliar und Teppiche durchnäßt hatte, offene Türen mit Zimmern dahinter, die über und über mit Kleidung übersät waren, Überreste von Essen auf Tellern, grauer Schimmel, der aus Bechern wuchs, Bettlaken, die seit dem Beginn der Possession auf Norfolk nicht mehr gewaschen worden waren. Es war keine Apathie – schon eher jugendliche Sorglosigkeit und der feste Glaube, daß Mami schon alles hinter einem aufräumen würde.
Verdammte dreckige Schlampen. Zu meiner Zeit wäre das nicht passiert.
Mehr als dreißig Leute saßen beim Frühstück im großen Saal des Herrenhauses,
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