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Armageddon 05 - Die Besessenen

Armageddon 05 - Die Besessenen

Titel: Armageddon 05 - Die Besessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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jetzt den Grund, warum der alte Knacker so durch den Wind ist.«
    Beth nickte zögernd. »Vielleicht hast du recht. Andererseits würde es nicht schaden, wenn wir uns ein paar Gedanken über das Undenkbare machen, oder?«
    Er nahm sie bei den Armen, dicht über den Ellbogen. »Uns wird schon nichts geschehen«, sagte er eindringlich. »Du hast Kieras Botschaft oft genug gesehen. Du weißt genausogut wie ich, daß sie die Wahrheit sagt. Das ist reine Nervosität, weiter nichts.«
    Sie warf einen eigenartigen Blick auf seine Hände. Normalerweise hätte sie sich augenblicklich aus einem Griff wie diesem gewunden. Doch diese ganze Reise war alles andere als normal. »Ja, sicher. Danke, Freund«, sagte sie und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln.
     
    Beth ließ sogar zu, daß er ihre Hand hielt, als sie durch den Zentralkorridor des Lebenserhaltungsmoduls spazierten. Irgendwie schien es ihr nicht mehr so viel auszumachen. Daheim auf dem Koblat hätte es bedeutet, daß jeder Bescheid gewußt hätte. Beth und Jed, Jed und Beth. Die Jungs hätten gegrinst und gejohlt und Jed die nach oben gereckten Daumen gezeigt: »Gut gemacht, Junge. Du hast ihren Eispanzer geknackt. Und? Wie sieht sie untendrunter aus? Hat sie große Titten? Ist sie gut im Bett? Hast du sie schon flachgelegt?« Und die Mädchen hätten sich zusammengedrängt und getuschelt und sie gefragt, ob er ihr gesagt hätte, daß er sie liebte. »Verbringt er genug Zeit mit dir? Werdet ihr einen Antrag auf ein gemeinsames Appartement stellen?«
    In ihrem Kopf drehte sich alles, und alles, was sie am Koblat so gehaßt hatte, kam wieder hoch. Die ganze Sinnlosigkeit ihres Lebens. Das erbarmungslose Ausgeliefertsein an die Company, und die Tatsache, daß sie sich irgendwann als eines von Tausenden billig produzierter multifunktionaler biologischer Werkzeuge hätte verdingen müssen. Beth kannte mehr als ein Mädchen auf ihrer Wohnetage, das mit achtundzwanzig bereits Großmutter gewesen war.
    Die Schwäche der anderen hatte Beth Kraft gegeben, wenigstens auf mehr zu hoffen und dem fast unerträglichen Gruppenzwang zu widerstehen. Sie war die Beste, der Star in ihrer Lerngruppe gewesen, außergewöhnlich empfänglich für jede didaktische Erinnerung, die ihr aufgeprägt worden war. Sie hatte sich für jedes Stipendium und jedes Austauschprogramm beworben, das sie in den Speicherkernen des Asteroiden finden konnte. Sie hatte das Getuschel der anderen genauso ertragen wie die ständigen Sticheleien. Aber es war hart, hart und nochmals hart gewesen. Und dann war Kiera dahergekommen und hatte Beth einen Weg gezeigt, wie sie diesem schrecklichen Druck entkommen konnte. Ein Leben, das anders war und es gut mit ihr meinte. Und Beth hatte Kiera geglaubt, weil Kiera in ihrem Alter gewesen war und Macht besaß und ihr eigenes Schicksal unter Kontrolle hatte. Und weil … weil es leicht gewesen war. Zum ersten Mal in ihrem Leben war etwas leicht gewesen.
    Sie blieben vor der Kabine stehen, die Beth mit Gerald geteilt hatte, und Jed küßte sie, bevor sie die Klinke herunterdrücken konnte. Es war kein besonders guter Kuß; fast hätte er ihre Lippen verfehlt, und ganz definitiv spürte sie keine Zunge, wie es in all diesen billigen Porno-Sens-O-Vis’s’s zu spüren gewesen war, die sie abgespielt hatte. Sein ängstlicher Gesichtsausdruck hätte sie beinahe zum Lachen gebracht, als erwartete er, geohrfeigt zu werden. Was, wie sie sich eingestand, drei Wochen früher zweifelsohne noch geschehen wäre, wenn er sie so überfallen hätte. Sie öffnete die Tür, und beide stolperten nach drinnen in das dunkle Zimmer. Jed küßte sie erneut. Diesmal war es ein besserer Versuch. Als sie fertig waren, fragte sie: »Du wirst an sie denken, nicht wahr?«
    »Was?« fragte er verwirrt.
    »Du weißt schon, Kiera. Wirst du an sie denken, wenn du es mit mir machst?«
    »Nein!« Doch seine Stimme zitterte genug, um die Wahrheit zu verraten. Zumindest ihr, wenn schon niemand anderem. Sie kannte ihn zu verdammt gut; sie waren zehn Jahre lang miteinander aufgewachsen. Viel zu nah beieinander.
    Jed war – nein, nicht obsessiv, das war nicht stark genug. Er war Kiera und ihrer verführerischen Schönheit regelrecht verfallen. Voller Bestürzung erkannte Beth, daß es nicht ihr Gesicht sein würde, das er sah, wenn er in Ekstase die Augen schloß, und nicht ihr Körper, den er unter seinen Händen spürte. Aus irgendeinem unbegreiflichen Grund machte es ihr nichts aus, trotz der Demütigung.

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