Armageddon 05 - Die Besessenen
jedes Deck mit Passagiersitzen vollgestopft war. Eine mißmutige Stewardeß führte sie brüsk zu ihren Plätzen, sorgte dafür, daß sie sich richtig anschnallten, und ging dann weiter, um sich um andere Passagiere zu kümmern.
»Ich will mich umziehen«, nörgelte Genevieve. »Ich hab’ mich seit einer Ewigkeit nicht mehr gewaschen. Alles ist verschwitzt!«
»Ich denke, wir können uns umziehen, sobald wir in der Station des Orbitalaufzugs angekommen sind.«
»Was für ein Orbitalaufzug? Wohin fliegen wir?«
»Ich weiß es nicht.« Louise blickte zu der Stewardeß, die tadelnd einer älteren Frau bei deren Versuchen zusah, sich vorschriftsmäßig anzugurten. »Ich schätze, wir müssen einfach abwarten.«
»Und dann? Was machen wir, wenn wir dort sind?«
»Ich weiß es nicht. Laß mir ein wenig Ruhe, ich möchte nachdenken, ja?«
Louise vollführte kreisende Bewegungen mit den Schultern und versuchte sich zu entspannen. Schwerelosigkeit führte immer dazu, daß sie sich am ganzen Körper verkrampfte, weil ihre Muskulatur natürliche, in einem Schwerefeld entstandene Haltungen einnehmen wollte. Glücklicherweise waren die Sitze in der Kabine stark geneigt, fast wie Liegen, was ihrem Magen sehr zugute kam.
Sie hatte keinen Gedanken an ihre nächsten Schritte verschwendet, solange sie im Gewahrsam gesessen hatte. Ihre einzige Sorge hatte dem Bemühen gegolten, Brent Roi von Quinn Dexters Plänen zu überzeugen. Jetzt hatte sie es geschafft. Oder zumindest sah es danach aus. Sie konnte immer noch nicht wirklich glauben, daß er ihre Warnungen ernst genug genommen hatte; dafür waren sie viel zu schnell freigelassen worden. Fast abgeschoben. Wie unbequeme Zeitgenossen.
Die Behörden hatten Fletcher im Gewahrsam, und er kooperierte mit ihnen und half ihnen dabei, das Phänomen der Possession zu verstehen. Das war ihre wirkliche Beute, dachte Louise. Sie waren zuversichtlich, daß ihre Sicherheitsprozeduren Dexter aufhalten würden. Louise war sich nicht sicher. Überhaupt nicht. Und sie hatte Fletcher ein feierliches Versprechen abgegeben, das genau diese Situation betraf.
Ich kann ihm nicht körperlich helfen, aber wenigstens kann ich mein Versprechen einhalten. Wenn er an meiner Stelle wäre, würde er das gleiche tun. Banneth. Ich habe ihm versprochen, Banneth zu suchen und zu warnen. Ja. Und das werde ich auch tun. Die neu gefundene Entschlossenheit belebte ihre Stimmung.
Dann wurde sie sich eines merkwürdig rhythmischen, summenden Geräusches bewußt, und Louise öffnete die Augen. Genevieve hatte ihren Prozessorblock eingeschaltet, und die AV-Säule projizierte einen konischen Strahl direkt in ihre Augen. Auf ihren Wangen und ihrer Nase funkelten bunte Lichter und glitzerten auf einem Mund, der zu einem verzauberten Lächeln verzogen war. Ihre Finger glitten mit raschen, geschickten Bewegungen über die Oberfläche des Blocks und zeichneten exzentrische Ideogramme.
Ich muß wirklich etwas gegen diese Sucht unternehmen, dachte Louise. Das kann unmöglich gesund sein.
Die Stewardeß brüllte einen Mann an, der ein weinendes Kind im Arm hielt. Wahrscheinlich war es besser, wenn Louise mit ihrer Strafpredigt wartete, bis sie auf der Erde angekommen waren.
Es war keine hartnäckige Entschlossenheit oder gar siegesgewisses Selbstvertrauen, das ihn zurückbrachte. Es war das langsame, furchtbare Begreifen, daß dieser Schwebezustand nicht enden würde, solange er nichts dagegen unternahm.
Dariats Gedanken hingen zwischen dicken Klumpen aus Erdreich, löchrige Nebelfetzen, die den Raum zwischen den Sternen erfüllten, schal und unendlich schwach. Und trotzdem vollkommen außerstande, sich in ein segensreiches Nichts zu verflüchtigen. Statt dessen waren sie angefüllt von Elend und Kälte, während schmerzerfüllte Erinnerungen in einem nicht enden wollenden Teufelskreis aus Demütigung und Furcht tanzten.
Schlimmer noch als das Jenseits. Im Jenseits gab es wenigstens andere Seelen. Erinnerungen, die man an sich reißen konnte, ein Echo von Gefühlen. Hier war man ganz allein. Eine lebendig begrabene Seele. Nichts, das Trost geboten hätte, außer dem eigenen Leben. Das Schreien wegen der Schmerzen und der Schläge, die ihn in den Boden gerammt hatten, mochte vielleicht aufgehört haben, doch der ewige Schrei voll Selbstverachtung würde niemals enden.
Nicht, solange er hier eingekerkert war. Er wollte nicht zurück in das finstere Licht und die kühle Luft an der Oberfläche, zurück zu der gemeinen
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