Armageddon 06 - Der nackte Gott
bewegten sich über schmale gepflasterte Straßen, und wie von Menschenhand in Schachbrettmustern angelegte Felder schnitten in die dichten Wälder oder endeten vor den steileren Gebirgen.
Dann kamen Raumflugzeuge der Tyrathca in Sicht. Sie landeten auf Wiesen und Feldern außerhalb der Städte. Ganze Scharen der vierarmigen Zweibeiner, die Monica in der Vitrine des Archivs entdeckt hatte, rannten vor den bewaffneten Soldaten der Tyrathca davon.
Nahaufnahmen der schrulligen Wohngebäude mit ihren geschwungenen Dächern. Die Außenwände waren fensterlos, statt dessen sorgte ein weiter Lichtschacht für Innenbeleuchtung. Die Prinzipien ihrer Architektur waren leicht zu erkennen: viele Gebäude waren von Raketen und Geschossen der Tyrathca getroffen, und eingestürzte Mauern gaben den Blick frei auf ausgebrannte Innenräume.
Irgendwann hatten die Xenos dann ihr Äquivalent einer Armee versammelt. Primitive Artillerie, gezogen von achtbeinigen Pferde-Analogen, war gegen die gelandeten Raumflugzeuge in Stellung gegangen. Maserfeuer verwandelte sie in schwelende Schlacke.
»Mein Gott«, flüsterte Joshua, als die Datei geendet hatte. »Eine richtige Alien-Invasion aus dem Weltraum. Das sieht ja aus wie eine billige Imitation von Krieg der Welten!«
»Ich fürchte, es war unausweichlich«, sagte Parker Higgens in bedauerndem Tonfall. »Ich fange schmerzhaft an zu begreifen, wie fest unterschiedliche Spezies an ihren Philosophien und Gesetzen festhalten und wie verschieden diese Philosophien von den unsrigen sein können.«
»Sie haben eine intelligente Spezies ausgerottet!« fauchte Monica den alten Direktor des Laymil-Projekts an. »Das war glatter Genozid! Wenn es überhaupt noch Überlebende gibt, dann sind sie wahrscheinlich von den Tyrathca versklavt worden. Und das nennen Sie eine Philosophie? Um Himmels willen!«
»Wir betrachten den Genozid als eines der schlimmsten Verbrechen, das eine Person oder eine Regierung begehen kann«, entgegnete Parker. »Die massive Exterminierung nicht nur von Leben, sondern einer ganzen Lebensweise. Ein derartiger Akt erfüllt uns mit Abscheu, und das mit Recht, weil wir Menschen eben so sind und nicht anders. Wir besitzen Emotionen und Mitgefühl, und manch einer würde wahrscheinlich sagen, daß unsere Emotionen uns beherrschen. Ich möchte Sie lediglich daran erinnern, daß die Tyrathca die Eigenschaften nicht besitzen. Das einzige, was bei ihnen annähernd einer Emotion gleichkommt, ist der Schutz, den sie ihren Kindern und ihrem Clan zukommen lassen. Wenn Sie einen Angehörigen der Brüterkaste vor ein menschliches Kriegsgericht stellen, um sich wegen dieser Monstrosität zu verantworten, würde er gar nicht verstehen, was er dort macht. Wir können die Tyrathca nicht nach unseren Regeln und Gesetzen verurteilen, weil unsere Regeln und Gesetze die Grundlage unserer Zivilisation sind. Wir dürfen die Tyrathca nicht verdammen, wie sehr wir ihre Handlungsweise auch mißachten. Menschenrechte sind exakt das, was der Begriff aussagt: menschlich.«
»Die Tyrathca haben eine ganze Welt von ihren rechtmäßigen Besitzern geraubt, und Sie glauben nicht, daß daran etwas Falsches war?«
»Selbstverständlich war es falsch. Nach unseren Standards. Und nach unseren Standards handeln auch die Kiint nicht moralisch, indem sie sich weigern, uns bei unserem Problem der Possession zu helfen, obwohl sie die Lösung kennen. Was wollen Sie vorschlagen? Daß wir die Kiint ebenfalls vor ein Kriegsgericht stellen?«
»Ich rede hier nicht von einem Kriegsgericht, verdammt. Ich rede von den Tyrathca als Spezies. Wir müssen unsere gesamte Mission neu durchdenken, nach dem, was wir hier entdeckt haben.«
»Was meinen Sie mit ›neu durchdenken‹?« fragte Joshua. »Die Umstände, die zu dieser Mission geführt haben, sind immer noch die gleichen, genau wie unser Ziel. In Ordnung, die Tyrathca haben vor Tausenden von Jahren ein schreckliches Verbrechen begangen, aber wir, unsere beiden Schiffe, können daran nicht das geringste ändern. Sobald wir zurückkehren, soll sich meinetwegen die Konföderationsversammlung den Kopf darüber zerbrechen, was sie wegen des Genozids unternehmen will.«
»Wenn sie überhaupt noch die Möglichkeit zu einer derartigen Initiative erhält«, sagte Monica leise. »Ich gestehe ja, daß mich der Genozid wütend gemacht hat. Aber ich mache mir noch viel mehr Sorgen wegen der Implikationen für die Gegenwart.«
»Welche Implikationen denn?« fragte Alkad. »Und ich
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