Armageddon 06 - Der nackte Gott
zum Funktionieren bringen. Sobald wir erst die Serjeants eliminiert haben, kommt unsere große Chance.« Ihr Lächeln verblaßte, als sie das Durcheinander aus Überraschung und Konfusion spürte, das mit einem Mal vom gemeinsamen Bewußtsein der Serjeants ausstrahlte. Es war stets präsent, ganz am Rand ihrer Wahrnehmung, wie ein Morgengrauen, dem nie ein Tag folgte. Jetzt jedoch hatten sich ihre kühlen, rationalen Gedanken verändert, und sie waren einer Panik näher, als sie es jemals zuvor erlebt hatte. »Was hat sie so außer sich gebracht?«
Zusammen mit Hoi trat sie an das Ende des Zeltes und blickte hinaus auf die dunkle Menge von Serjeants, die sich in den Ausläufern der verlorenen Berge drängten, welche Catmos Vale einmal umschlossen hatten.
»Nun ja, sie greifen uns jedenfalls nicht an«, stellte Hoi Son fest. »Das ist erfreulich.«
»Irgend etwas stimmt nicht.« Sie brachte ihren Feldstecher hoch und suchte das Lager der Serjeants ab, in dem Bemühen, in dem Gewühl aus schwarzen Leibern etwas Außergewöhnliches zu entdecken. Sie saßen ruhig beisammen wie immer.
Dann wurde ihr plötzlich bewußt, daß jeder einzelne Kopf in ihre Richtung blickte.
Sie senkte den Feldstecher und runzelte die Stirn. »Ich verstehe das nicht.«
»Dort, sieh nur.« Hoi Son deutete auf einen hellen Funken, der über die Befestigungen am Stadtrand herbeigeflogen kam. Die Soldaten riefen und gestikulierten wild, während er erhaben über sie hinwegrauschte.
Genau in Richtung des großen Hügels in der Mitte der Stadt.
»Es gehört mir«, sagte Annette hitzig. Mit gespreizten Beinen hob sie die Hände und verschränkte sie zu einem Pistolengriff. Ein gedrungener schwarzer Maserkarabiner materialisierte, und der stumpfe Lauf zielte auf den herannahenden Kristall.
»Ich glaube nicht, daß es sich um eine Waffe handelt«, sagte Hoi Son. Er wich von Annette zurück. »Es kam nicht von den Serjeants. Sie sind genauso verwirrt und unsicher wie wir.«
»Es hat jedenfalls keine Erlaubnis, in meine Stadt einzudringen.«
Hoi begann zu rennen. Ein dünner Blitz aus intensiv weißem Feuer schoß aus Annettes Waffe und auf den sich nähernden Kristall zu. Das Gebilde wich mühelos aus und schwebte über Hoi. Er geriet ins Stolpern, als er von den tanzenden hellen Lichtspeeren eingekreist wurde.
Geschmeidig und methodisch drehte sich Annette und folgte dem Eindringling. Sie betätigte erneut den Abzug ihres Masers und schleuderte dem Gebilde den stärksten Blitz entgegen, den sie zustandebrachte. Ohne den geringsten Effekt. Der Kristall schwang über Hois Kopf in eine enge Parabelkurve und kehrte auf dem gleichen Weg zurück, den er gekommen war.
Die Serjeants beobachteten seine Rückkehr. Diesmal wurde es nicht einmal langsamer, als es durch die Luft über ihnen raste. Über der Klippe kurvte es nach unten. Devlin sprang zum Rand hin, warf sich flach in den Dreck und schob den Kopf über den Abgrund. Das letzte, was er von dem Gebilde sah, war ein schwacher Lichtschein, der parallel zu der zerklüfteten Felswand nach unten sank, bevor es ganz verschwand.
Sieben schwere Händlerwagen kamen rasselnd und hupend die Auffahrt nach Cricklade herauf. Dampf zischte aus Ventilen hinter den Fahrerkabinen, während glänzende Kolbenstangen aus Messing die Vorderräder antrieben. Vor den breiten Stufen des Herrenhauses kamen die Wagen rumpelnd zum Halten. Öl tropfte auf den Kies, während Dampf aus undichten Flanschverbindungen entwich.
Luca kam aus dem Haus, um die Händler zu begrüßen. Soweit er es beurteilen konnte, waren die Gedanken der Leute in den Wagen einigermaßen friedlich. Er rechnete nicht mit Problemen. Cricklade hatte schon früher Besuch von Händlern erhalten, aber noch nie in einem Konvoi dieser Größe. Eine Gruppe von zehn Landarbeitern hielt sich in Rufweite auf, nur für den Fall.
Der Anführer der Händler kletterte vom vorderen Wagen und stellte sich als Lionel vor. Er war ein kurzgewachsener Mann mit wallendem blondem Haar, das hinten von einem Lederband zusammengehalten wurde. Er trug alte Segeltuchhosen und einen kragenlosen Pullover, Arbeitskleidung, die zu seiner offenen Art paßte wie angegossen. Nach einigen Minuten einleitender Konversation, während der sie sich gegenseitig abschätzten, bat Luca ihn nach drinnen.
Lionel setzte sich dankbar in einen der schweren ledernen Armsessel des Arbeitszimmers und trank einen Schluck Norfolk Tears, den Luca ihm angeboten hatte. Wenn er Bedenken hatte
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