Armageddon 06 - Der nackte Gott
inzwischen den gesamten Felsen eingehüllt und dafür gesorgt, daß jeder Besessene von dem Weg zurück erfahren hatte und was es bedeutete, wenn er sich zum Hierbleiben entschloß. Es war das Ende von Eklunds Herrschaft. Ihre Truppen hatten sie verlassen und sich trotzig zusammengeschlossen, um aus Ketton zu marschieren. Ihre wütenden Drohungen hatten den Aufbruch nur noch beschleunigt.
Fünf lange Schlangen warteten vor Tinkerbells hoch aufragender Kugelgestalt. Zwei davon bestanden aus Serjeants. Die übrigen drei (in gebührendem Abstand) wurden von Besessenen gebildet. Sie warteten in eigenartig gedrückter Stimmung, ihre Erleichterung über das Ende des Alptraums gedämpft von der Unsicherheit über das, was vor ihnen lag.
Stephanie wartete am Ende der längsten Schlange von Besessenen, zusammen mit Moyo, McPhee, Franklin und Cochrane. Tina und Rana waren unter den ersten gewesen und schon lange durch.
Die kristallinen Wesen hatten Tina stabilisiert (offensichtlich hatten sie die Verletzungen an den inneren Organen geheilt), doch sie waren übereinstimmend zu dem Schluß gekommen, daß der Körper der Frau so schnell wie möglich von einem menschlichen Spezialisten untersucht werden sollte. Stephanie hatte für sich selbst beschlossen, daß es nur rechtens war, wenn sie bis zuletzt wartete. Wieder einmal dieses Verantwortungsgefühl. Sie wollten wissen, daß alle anderen in Ordnung waren.
»Aber du bist nicht für sie verantwortlich!« hatte McPhee gesagt. »Sie alle haben sich unter Eklunds Fahne gedrängt. Es ist ihre eigene verdammte Schuld und Dummheit, daß sie hier gelandet sind.«
»Ich weiß. Aber wir sind diejenigen, die versucht haben, die Eklund zum Aufhören zu bringen, und wir haben elendig versagt.« Sie zuckte die Schultern, als ihr bewußt wurde, wie schwach ihr Argument geklungen hatte.
»Ich warte mit dir«, hatte Moyo gesagt. »Wir gehen gemeinsam durch.«
»Danke.«
McPhee, Franklin und Cochrane hatten sich wortlos angesehen und zu den beiden ans Ende der Schlange gesellt, hinter Hoi Son. Der alte Öko-Guerilla trug noch immer seine dunkle Dschungeluniform und hatte seinen Ranger-Filzhut weit nach hinten geschoben, als wäre er gerade mit einer schweren Arbeit fertiggeworden. Er musterte sie in ironischer Belustigung und verbeugte sich vor Stephanie. »Ich gratuliere. Sie sind Ihren Prinzipien tatsächlich treu bis zuletzt.«
»Ich glaube zwar nicht, daß es einen Unterschied macht, aber trotzdem danke.« Sie setzte sich auf einen der großen Felsbrocken, um ihrer verwundeten Hüfte eine Ruhepause zu gönnen.
»Von uns allen sind Sie diejenige, die am meisten erreicht hat.«
»Sie haben die Serjeants abgewehrt.«
»Nicht lange, und nur um eines alten Ideals willen.«
»Ich dachte, Sie schätzen alte Ideale?«
»Das tue ich. Oder zumindest habe ich es getan. Sehen Sie, das ist das Problem mit dieser Situation. Die alten Ideale haben keinerlei Bedeutung mehr. Ich habe sie angewandt, genau wie die politischen Kräfte hinter der Befreiungskampagne. Wir waren beide auf dem Holzweg. Sehen Sie nur, was wir den Menschen angetan haben, wie viele Leben und wie viele Existenzen wir ruiniert haben. All die Mühen, die nur auf Konflikt und Zerstörung aufgewendet wurden. Und ich habe früher einmal von mir gesagt, daß ich zum Land gehöre.«
»Ich bin sicher, Sie waren überzeugt davon, das Richtige zu tun.«
»Das war ich, jawohl, das war ich, Stephanie Ash. Unglücklicherweise habe ich nicht genug nachgedacht, denn es war nicht das Richtige. Im Gegenteil. Es war vollkommen falsch.«
»Na ja, Mann, hey, das spielt doch jetzt alles keine Rolle mehr«, sagte Cochrane. »Die Geschichte ist vorbei, und wir gehen nach Hause zurück.« Er bot Hoi Son seinen dicken Joint an.
»Nein danke. Ich möchte diesem Körper keine weiteren Gifte mehr zuführen. Ich bin nur sein Hüter, weiter nichts. Vielleicht werde ich schon allzu bald für alle Schäden verantwortlich gemacht, die ich ihm zugefügt habe. Schließlich werden wir ihnen wieder gegenüberstehen, wenn wir durch sind, nicht wahr? Und wir werden nicht mehr unangreifbar sein.«
Cochrane bedachte ihn mit einem säuerlichen Blick, dann ließ er den Joint fallen und zertrat ihn mit seinem Stiefelabsatz im getrockneten Schlamm. »Ja, sicher, Mann«, brummte er. »Hast recht.«
»Was ist mit der Eklund?« fragte Stephanie. »Wo ist sie?«
»In der Stadt, in ihrem Kommandostand. Sie hat sich geweigert, das Angebot zur Rückkehr
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