Armageddon 06 - Der nackte Gott
gemeutert, in Ihrer Zeit alles ausnahmslos schreckliche Verbrechen. Sie selbst waren davon überzeugt, und Sie haben sich Ihre eigene Strafe ausgesucht. Und Ihrer Meinung nach war diese Strafe das Fegefeuer.«
Fletchers Augen wurden dunkel, als er sich an den Schmerz zurückerinnerte. »In meinem Herzen wußte ich, daß das, was wir taten, falsch war. Doch Bligh war so grausam über alles Erträgliche hinaus. Wir haben es einfach nicht mehr ausgehalten.«
»Das ist jetzt alles vorüber«, sagte Joshua. »Das ist es seit fast tausend Jahren, Fletcher. Was Sie für Louise und andere getan haben, reicht mehr als aus, um hundert Meutereien zu vergeben. Fassen Sie Mut, Fletcher, das Jenseits ist nicht alles, was auf Sie wartet. Durchqueren sie es. Finden Sie die Ufer, die auf der anderen Seite liegen. Es gibt sie.«
»Wie könnte ich die Worte eines Mannes von Eurer Ehrenhaftigkeit anzweifeln, Sir. Ich werde tun, wie Ihr gesagt habt.«
Joshua trat beiseite.
»Lady Louise.«
Sie umarmte ihn fest. »Ich will nicht, daß Sie gehen, Fletcher.«
»Ich gehöre nicht hierher, meine teuerste Lady Louise. Ich bin gestrandet in Eurer Zeit.«
»Ich weiß.«
»Und doch betrachte ich es als Privileg, Euch gekannt zu haben, ganz gleich, wie bizarr die Umstände gewesen sein mögen. Ihr werdet Euer Glück finden, das prophezeie ich Euch, und Euer Kind ebenso. Dieses Universum ist ein wunderbares Ding. Lebt ein erfülltes Leben darin.«
»Das werde ich, Fletcher. Ich verspreche es.«
Er küßte sie auf die Stirn, fast eine Segnung. »Und sagt der kleinen Lady, daß ich immer an sie denken werde.«
»Bon voyage, Fletcher.«
Sein Körper wurde transparent, und dann löste er sich in kleine Schleier aus platinfarbenem Sternenstaub auf. Fletcher hob den Arm zu einem letzten Salut, dann verschwand auch er.
Louise starrte noch eine ganze Weile auf den leeren Fleck, wo Fletcher gestanden hatte. »Und was nun?« fragte sie schließlich.
»Ein paar Erklärungen, schätze ich«, antwortete Joshua. »Aber dazu bringe ich dich besser zuerst nach Tranquility. Du brauchst ein Bad und ein wenig Ruhe. Außerdem stellt Genevieve ganz schreckliche Dinge mit den armen Servitor-Schimps an.«
Louise wollte stöhnen – doch dann stockte ihr der Atem. Rings um sie herum materialisierte lautlos Tranquilitys üppige Parklandschaft.
Samuel Aleksandrovich hatte die letzten zehn Minuten vor den Bildern verbracht, die von den externen Sensoren der Station in das Kommunikationsnetz eingespeist wurden. Und doch mußte er es mit eigenen Augen sehen, bevor er es glauben konnte. Das strategische Verteidigungszentrum hatte Alarm gegeben wegen der Anzahl von Raumschiffen, die über Avon materialisierten, doch schnell hatte sich herausgestellt, daß es sich ausnahmslos um Schiffe handelte, die im interstellaren Raum zu anderen Systemen unterwegs gewesen waren. Sie waren ohne eigenes Zutun entmaterialisiert und in den vorgeschriebenen Zonen über Avon wieder aufgetaucht. Nachdem der Leitende Admiral sich davon überzeugt hatte, daß es keine Angriffsflotte war, nahm er gemeinsam mit Lalwani eine Liftkapsel hinauf in die Aussichtskanzel.
Der große Raum war überfüllt mit Navy-Personal. Sie machten den beiden Admirälen nur zögernd Platz an dem großen umlaufenden Fenster. Samuel Aleksandrovich starrte voller Bestürzung auf einen Weltraum ohne Sterne hinaus.
Langsam rotierte die Station, und dann kam die Galaxis in Sicht, mit einem golden und violett leuchtenden Zentrum, eingefaßt von einem silbrig schimmernden Wirbel der Spiralsterne.
»Ist das unsere Milchstraße?« fragte Samuel.
»Ich weiß es nicht.«
»Zehntausend Lichtjahre. Wer in Gottes Namen hat uns das angetan?«
»Joshua Calvert, Sir.«
Samuel Aleksandrovich warf Richard Keaton einen äußerst mißtrauischen Blick zu. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, deutlicher zu werden, Lieutenant?«
»Calvert und der Voidhawk Oenone haben ihre Mission erfolgreich abgeschlossen, Sir. Sie fanden den Schlafenden Gott der Tyrathca. Es handelt sich um einen Artefakt, der imstande ist, Wurmlöcher dieser Größe zu erzeugen.«
Samuel und Lalwani wechselten einen Blick.
»Sie scheinen bemerkenswert gut informiert, Lieutenant«, sagte die Lalwani. »Ich weiß von keiner Nachricht der Lady Macbeth oder der Oenone, die uns erreicht hätte, seit wir hier sind.«
Keaton lächelte verlegen. »Ich möchte mich entschuldigen, daß Sie nicht vorher informiert wurden. Doch es ändert nichts an der
Weitere Kostenlose Bücher