Armageddon 06 - Der nackte Gott
überstanden.
»Werden sie wieder aufgebaut?« fragte Jay. Sie fand all die Aktivitäten höchst aufregend.
»Das bezweifle ich«, sagte Vater Horst. »Die Menschen, die von heute an hierher auswandern, werden nach Fünf-Sterne-Hotels verlangen.«
Ruth hob den Blick und suchte den Himmel ab. Die morgendlichen Regenwolken waren gerade erst nach Osten hin abgezogen, weiter landeinwärts, um die Siedlungen am Fluß zu durchnässen. Zurück blieb ein Fleck blauer Himmel über der Stadt und dem umliegenden dampfenden Dschungel. Fünf Sterne funkelten trotz des hellen Tageslichts am Himmel; der größte davon besaß definitiv Halbmondform. Vielleicht war einer von ihnen die Erde selbst, obwohl Ruth nicht wußte welcher.
Siebenundvierzig terrakompatible Welten teilten jetzt den Orbit der Erde. Allesamt Kolonien der Stufe eins, bereit, die Bevölkerungsmassen aus den Arkologien aufzunehmen.
»Gehen wir nach Aberdale zurück?« fragte Jay.
»Nein, Kleines.« Ruth streichelte ihrer Tochter über das sonnengebleichte Haar. »Ich fürchte, diese Welt haben wir verloren. Menschen von der Erde werden hierher kommen und sie zu etwas ganz anderem machen als dem, was sie früher war. Und sie müssen nicht die Art von Vergangenheit überwinden wie wir. Diese Welt gehört uns nicht mehr, sondern ihnen. Wir müssen einmal mehr weiterziehen.«
Der Bus rollte langsam über das Andocksims, und der Schleusenschlauch verband sich mit der Ankunftshalle. Athene erwartete die beiden, stolz in einer blauen seidenen Schiffsuniform, doch an ihrem Kragen leuchtete kein Kommandantenstern mehr.
– Ich bin zurückgekommen, sagte Sinon. – Wie ich es versprochen habe.
– Ich habe nie daran gezweifelt. Aber ich hätte es verstanden, wenn du bei dem Kristallwesen geblieben wärst. Es war eine phantastische Gelegenheit.
– Andere haben sie wahrgenommen. Es hört nicht auf zu existieren, nur weil ich nicht dort geblieben bin.
– Standhaft bis zuletzt.
– Eines Tages werden die Menschen – oder das, was dann aus uns geworden ist – selbst eine ähnliche Reise antreten. Und ich würde gerne denken, daß ich meinen Teil zu der Kultur beigetragen habe, die uns auf den Weg bringt.
– Du bist nicht mehr der Sinon, der von hier aufgebrochen ist.
– Ich besitze jetzt eine eigene Seele. Und ich werde nicht mehr in die Multiplizität zurückkehren. Ich beabsichtige, mein Leben in dieser Form zu leben.
– Ich bin froh, daß du wieder zu dir selbst gefunden hast. Ich kann jemanden im Haus gebrauchen, der meine entsetzlichen Enkel bändigt.
Sinon lachte, ein rauhes, metallisches Klackern. – Tag für Tag habe ich mir nichts anderes gewünscht als nach Hause zurückzukehren. Ich hatte Angst, du würdest mich nicht wiedersehen wollen.
– Diesen Gedanken würde ich niemals denken. Nicht bei dir, ganz gleich, was du getan hast.
– Ich habe jemanden mitgebracht, der weit mehr leidet als jeder von uns.
– Das sehe ich. Sie trat vor und verneigte sich leicht. »Willkommen auf Romulus, General Hiltch.«
Es war der Augenblick, den Ralph am meisten von allen gefürchtet hatte, das Überschreiten der Grenze. Wenn er hier keine Vergebung fand, dann würde er im ganzen Universum keine finden. Es gelang ihm nicht, die würdevolle alte Frau anzulächeln, deren Gesicht soviel ehrliche Sorge ausdrückte. »Ich befehlige keine Armee mehr, Athene. Ich habe mein Kommando niedergelegt.«
»Sagen Sie mir, warum Sie hergekommen sind, Ralph.«
»Weil ich mich schuldig fühle. Ich habe so viele Edeniten in den Tod geschickt. Die Befreiungskampagne hat alles zerstört, was sie eigentlich retten sollte. Sie wurde nur aus Eitelkeit und Stolz ins Leben gerufen, nicht aus Ehre. Und alles war meine Idee. Ich muß jemandem sagen, wie leid mir das alles tut.«
»Wir hören Ihnen zu, Ralph. Nehmen Sie sich soviel Zeit, wie Sie benötigen.«
»Werden Sie mich als einen der Ihren aufnehmen?«
Sie schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. »Sie möchten Edenit werden?«
»Ja. Obwohl es ein selbstsüchtiger Wunsch ist. Mir wurde berichtet, daß Edeniten ihre Bürde erleichtern können, indem sie sie mit jedem anderen Edeniten teilen. Meine Schuld hat sich in reine Trauer verwandelt.«
»Das ist nicht selbstsüchtig, Ralph. Sie erbieten an, sich allen mitzuteilen.«
»Wird es enden? Werde ich imstande sein, mit dem zu leben, was ich getan habe?«
»Ich habe schon viele edenitische Kinder in meinem Haus aufgezogen, Ralph.« Sie hakte sich bei ihm unter und
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