Armageddon 06 - Der nackte Gott
entschlossen im seichteren Bereich. Banneth war es egal, ihr ging es nur darum, ihre großartigen jungen Körper splitternackt und naßglänzend zu sehen. Sich mit ihnen zu vergnügen war definitiv besser als die traditionelle Henkersmahlzeit. Allerdings besaß sie in ihrer neuralen Nanonik noch ein paar Dateien, die vorbereitet und redigiert werden mußten. Ihr Lebenswerk. Sie durfte nicht zulassen, daß alles umsonst gewesen war, obwohl es sich als schwierig erweisen konnte, eine Institution zu finden, die ihre Informationen entgegennahm. Es ging ihr nicht nur darum, daß sie die Daten aufgehoben wissen wollte – sie wollte, daß sie benutzt wurden, daß weiter mit ihnen gearbeitet wurde. Es war ein wichtiges Wissensgebiet: menschliches Verhalten unter der Art von extremen Bedingungen, die den akademisch medizinischen Kreisen für immer verschlossen bleiben würden. Es war einzigartig, was die ganze Sache um so wertvoller machte. Vielleicht würde ihr Werk eines Tages zu einer klassischen Referenz für Studenten der Psychologie werden.
Sie kehrte in die Lounge zurück und ließ sich in einem der schrecklichen grünen Ledersofas nieder, um mit der Indizierung ihrer Daten zu beginnen. Es würde amüsant werden zu beobachten, wie lange die Akolythen im Wasser bleiben würden.
Das Lancini war zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts gebaut worden, ein riesiges Kaufhaus, das Londons besten Adressen gleichkommen sollte. Es befand sich in Millbank, direkt an der Themse, und der très chic Ausblick zusammen mit der Retro-Dreißiger-Dekoration war dazu angetan, die Wohlhabenden und die Neugierigen gleichermaßen anzusprechen. Wie bei allen derart großen Unternehmungen erfolgte der Niedergang langsam. Das Lancini hatte sich jahrzehntelang mit sinkenden Kundenzahlen und negativen Profiten hingeschleppt. Das Bild, das es von Anfang an zu vermitteln versucht hatte, war das von Erhabenheit ohne Snobismus. Nach den von seinen Managern so hoch verehrten Marktanalyseprogrammen sollte diese Politik in der Hauptsache eine ältere Klientel mit entsprechend größerer Kaufkraft anziehen. Die Abteilungsleiter, denen keinerlei Spielraum für Innovation blieb, orderten weiterhin die etablierten, wenig schicken, angestaubten Artikel, um ihre loyalen, aber alternden Kunden zu bedienen. Und jedes Jahr kamen weniger von ihnen zurück.
Die Direktion hätte es kommen sehen müssen. Sie hätte lediglich die Daten ihrer Marktanalysen mit denen ihrer Bestattungsabteilung korrelieren müssen, um zu sehen, wie weit die Treue ihrer Kundschaft reichte. Unglücklicherweise erstreckte sich diese Treue nicht auf Einkäufe nach dem eigenen Verscheiden. Und so kam es, wie es kommen mußte, und der Winterschlußverkauf des Jahres 2589 endete mit einer Versteigerung der Einrichtung des Kaufhauses. Heute existierte nur noch die leere Hülle des Gebäudes; die langen Verkaufshallen waren ausgeweidet und ihrer Schalter und Theken und Teppichböden beraubt und zu einem Schlupfwinkel für Motten und Mäuse geworden. Tag für Tag stachen dicke Sonnenstrahlen durch die Reihen hoher Bogenfenster und beschrieben die immer gleichen Parabelbahnen über Wände und Dielen. Die Zeit hatte ihre Bahnen in die Farben und Lacke gebrannt, wie es kein Meißel besser gekonnt hätte.
Nichts änderte sich, weil jegliche Änderung verboten war. Das Londoner Amt für Denkmalschutz verteidigte sein Erbe mit rigoroser Entschlossenheit. Jedermann konnte das Lancini kaufen und darin ein neues Kaufhaus etablieren, vorausgesetzt, es wurde so ausgestattet, daß es den ursprünglichen Plänen gleichsah, und die ursprünglichen Pläne sahen nun einmal ein ganz normales Kaufhaus vor. Ein weiterer Hinderungsgrund war der Preis, der an die Gläubiger der letzten Besitzer entrichtet werden mußte, um alle Schulden abzulösen.
Dann erreichte die Nachricht von der Possession und dem Jenseits die Erde. Und paradoxerweise wurde Alter plötzlich zu einem Motivationsfaktor für Veränderung. Es waren alte Menschen, die im Amt für Denkmalschutz saßen, und die wohlhabendsten und bestsituierten Londoner Finanzinstitute und Banken wurden von Hundertjährigen beherrscht. Sie waren die erste Generation menschlicher Wesen, die wußten, welches Entsetzen sie im Jenseits erwartete, bevor sie starben. Es sei denn natürlich, man fand vorher eine Möglichkeit der Rettung. Bisher waren die Kirchen (jeglicher Couleur und Glaubensrichtung), die wissenschaftlichen Institute GovCentrals und die
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