Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
die Anmut, die es braucht, um in diese ländlichen Umgebung zu passen.
Die schneeweißen Wände aus BiTek-Koralle, die das zwei Kilometer durchmessende Hafenbecken umgeben, strahlen unter der grellen Sonne mit einer Intensität, die dem Auge wehtut. Von Rykers Position aus sieht das Hafenbecken aus wie ein perfekt runder Krater. Die westliche Hälfte ragt in die Stadt hinein, und an diesem Rand erstreckt sich ein ausgedehnter Bezirk von Lagerhäusern, kommerziellen Plazas und Bootswerften. Die Osthälfte ragt in das makellos türkisfarbene Meer hinaus und wirft die Wellen zurück, die von dem gewaltigen flachen Ozean heranbranden, welcher fünfundneunzig Prozent der Oberfläche Tropicanas bedeckte. Hölzerne Kais ragen vom inneren Polyprand in das Becken, Liegeplätze für Hunderte von Fischerbooten und privaten Segelyachten. Handelssegler, die das Inselmeer mit exotischen Frachten durchkreuzen, gleiten durch das saubere Wasser auf dem Weg zum Freihafen.
An diesem Tag hat Laurus seinen Raubvogel in die milde Luft über dem Hafen gelenkt, um mit ihm zu jagen. Seine Beute ist ein kleines Mädchen, das an der Hafenmauer entlangläuft und mit Leichtigkeit durch das Gedränge von Seeleuten, Touristen und Stadtvolk schlüpft, das sich auf dem weißen Polyp drängt. Das Mädchen sieht aus, als wäre es nicht älter als zehn oder elf. Es trägt ein einfaches malvenfarbenes Baumwollkleid, schwarze Sandalen und einen breitrandigen Strohhut. Über seine Schulter geschlungen hängt eine kleine Ledertasche mit blauen und roten Quasten.
Soweit Laurus feststellen kann, ist sie sich nicht bewusst, dass ein von Laurus geleiteter Trupp von Enforcern auf ihren Fersen ist. Vielleicht ist es ein wenig übertrieben, die Enforcer und den Vogel zu benutzen, doch Laurus ist entschlossen, das Mädchen unter keinen Umständen entwischen zu lassen.
Rykers Raubtierinstinkte machen ihn auf eine Möwe aufmerksam. Sie fliegt zwanzig Meter unter dem Adler, schwebt durch die Luft und vertreibt sich offensichtlich einfach die Zeit. Laurus erkennt das Tier; ein modifizierter Vogel mit winzigen Affenpfoten statt der gewohnten Krallen. Affinitätsgebunden an Silene. Hastig sucht Laurus die Hafenwand in der Umgebung des Mädchens nach dem alten falschen Bettler ab.
Silene ist leicht zu finden. Er sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf seiner Strohmatte und hat ein silbernes Band um seine leeren Augenhöhlen geschlungen. Er spielt auf einer kleinen Flöte, vor sich eine Schale mit ein paar Silbermünzen und einer Jupiter-Kreditdisk für großzügigere Wohltäter. Zu seinen Füßen liegt eine schwarze Katze und gähnt träge in den Tag.
Das Mädchen geht an Silene vorbei, und seine schwarze Katze dreht den Kopf, um ihm zu folgen. Ohne Zweifel hat der alte Halunke durch das Affinitätsband die Tasche entdeckt, und fette Beute lockt.
Laurus spürt einen Anflug kühler Melancholie. Silene arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren im Hafen. Laurus selbst hat ihm die Lizenz gegeben. Doch er darf nicht zulassen, dass irgendjemand das Mädchen aufscheucht, ihr Angst einjagt und es vielleicht alarmiert. Nichts darf dazwischen kommen. Nicht einmal Sentimentalität.
In seinem Arbeitszimmer öffnet Laurus mit Hilfe seines kortikalen Chips einen verschlüsselten Datalink zu Erigeron, dem Lieutenant des Enforcer-Trupps. »Schaltet Silene aus«, befiehlt er knapp.
Die Möwe hat bereits zum Sturzflug angesetzt und schießt in steilem Winkel auf die Tasche zu. Im Verlauf der Jahre haben schon Hunderte von Touristen und Raumfahrern Schmuck und Kreditdisks an den schnellen gierigen Vogel verloren.
Laurus überlässt Rykers natürlichen Instinkten freie Hand. Die Flügelspitzen zucken lässig, und der Vogel geht mit müheloser Eleganz in eine Kurve. Dann faltet er die Flügel zusammen, und der atemberaubende Sturz beginnt.
Ryker kracht in die Möwe, seine stählernen Klauen packen zu, und der Schnabel bricht ihr sauber das Genick. Silenes Kopf ruckt reflexhaft nach oben.
Zwei Enforcer sind bereits hinter ihm in Position. Erigeron beugt sich nach vorn, als wollte er ein paar vertrauliche Worte mit ihm wechseln, den Mund bereits geöffnet, wie um Geheimnisse an einen alten vertrauenswürdigen Freund weiterzugeben. Lange Vampirfänge durchbohren die faltige Haut von Silenes Nacken. Jeder Muskel im Körper des alten Mannes verkrampft sich eisenhart, als die hohlen Zähne ihr Gift in seinen Blutkreislauf entlassen.
Zehn Meter weiter bleibt das Mädchen an einem Karren mit
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