Armageddon 1 - Das Musical
tragische Ende
des Dalai Lama eine Gelegenheit mit sich brachte, aus der Rol e des
zweidimensionalen Charakters zu schlüpfen, der kaum eine Nebenhand-
lung ausfüllte, und in die des Hauptdarstellers aufzusteigen. Er stapfte
ohne die Hilfe fremder Hintern in seinem Hauptquartier auf und ab. Die
Hubbards waren nicht zu dem geworden, was sie geworden waren, in-
dem sie kleinkariert gedacht hatten.
»Mein Ururururururururgroßvater hätte bestimmt noch gewußt, wie
man diesen Habenichtsen in den Hintern tritt!« brummte er mißmutig.
»Gar kein Problem für den Ururururururururgroßpapa wäre das gewe-
sen.«
Die wachen jungen Männer mit den weit entrückten starren Blicken
beugten sich über ihre Instrumentenkonsolen und sagten nichts. Man
nahm sich keine Freiheiten heraus bei Hubbard dem Dreiundzwanzigs-
ten. O nein, das tat man nicht. Unter gar keinen Umständen.
»Al das hing schon viel zu lange in der Luft!« sagte der große Mann,
während seine persönlichen Biographen al es in Stenocomputern notier-
ten, eifrig darauf bedacht, jedes und alles seiner heiligen Worte aufzu-
zeichnen. »In einer Welt, in der Habgier und Neid herrschen und in der
es nicht ein einziges Schnel restaurant à la Tandoori gibt, keine Chicken
McNuggets™ und keinen Colonel Sanders™, in einer Welt voller Düs-
terkeit und Kopfschmerzen, in einer solchen Welt, meine Freunde, und
in einer solchen Zeit… hab’ ich euch eigentlich je von der Zeit erzählt
als mein Ururururururururgroßpapa um die halbe Welt gesegelt und auf
der kleinen Insel gelandet ist wo die Eingeborenen eine ganz besondere
Sorte von Lobster bevorzugen, die sie in eine Soße aus…« Weiter und
weiter ging der Sermon, immer die gleiche Leier, wie schon vorher und
wie es ganz ohne Zweifel auch in Zukunft weitergehen würde. Was dem
Leser eine gute Vorstellung vermittelt, warum Hubbard der Dreiund-
zwanzigste wirklich keine größere Rolle in diesem Roman spielt. Und
warum seine bevorstehende Ermordung von der Hand eines eifersüchti-
gen drogenbenebelten Skriptgirls wegen einer Dreiecksgeschichte (die
selbstverständlich überhaupt nichts mit dem beherrschenden Thema
dieses Buches zu tun hat) im Grunde genommen nicht näher beschrie-
ben werden sol – bis auf die kurze Erwähnung des widerlichen Quat-
schens, das der leblose Körper beim Aufschlag auf den Boden erzeugte.
Päpstin Johanna hatte sich stets vorgestel t, daß ihre Rol e in einer späteren Verfilmung des Buches von Meryl Streep gespielt würde. Oder falls
Meryl nicht zur Verfügung stand, dann wenigstens von diesem phantasti-
schen Charakterdarsteller Mister Michael O’Hanagan. Jetzt jedoch kniete
sie in schweigendem Gebet. Johanna hatte bisher nicht viel zu sagen
gehabt, und traurigerweise für sie würde sich nichts daran ändern… wie
es der Zufall so will. Aber, wie sie immer fest geglaubt hatte, es kam auf
die Art und Weise an, wie man seine wenigen Zeilen sprach, die Worte
zu einer Kunstform erhob. Mehr noch in der Konnotation als in der
Denotation. Sie betrachtete Sprache eher als ein Mittel des Ausdrucks als
ein Medium der Kommunikation. Obwohl das Lied geendet hat,
schwingt die Melodie noch nach. Sozusagen. Und so weiter.
»Obwohl ich im schwachen und zerbrechlichen Körper einer Frau ste-
cke«, begann sie.
In Tantchen Normas Bunker wurden eifrig Unwägbarkeiten abgewogen.
Vier Männer kauerten in der Ecke, die am weitesten von der von der
Bombe eingedrückten Eingangstür entfernt lag. Sie bildeten wahrschein-
lich das unglaublichste literarische Quartett in der Geschichte des Fern-
sehens. Bestehend aus: einem aus Schutt und Asche auferstandenen
Bunkerjungen, dessen Karriereaussichten nie schlechter gewesen waren,
einem Besucher von einem anderen Stern, der sich von tiefstem Herzen
wünschte, nicht hier zu sein, seiner göttlichen Unheiligkeit dem Dalai
Lama, inzwischen beschäftigungslos, und dem zeitreisenden Elvis Pres-
ley, mit einem sprechenden Kohl im Kopf und einem Anzug aus schi-
ckem Goldlamé.
Und da sagen die Leute tatsächlich, es gibt nichts Neues mehr auf der
Welt. Was für ein Unsinn!
»Wie ich die Sache sehe, Barry«, sagte Elvis zu dem sprechenden Kohl
gewandt, »könnte diese Show das reinste Dynamit werden.«
Im Innern von Elvis’ Kopf nickte Barry der Zeitkohl (der sich seinen
Namen im übrigen selbst ausgesucht hatte) nachdenklich mit dem Kohl-
kopf.
»Das ist jetzt die Stelle, Chef«, antwortete er,
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