Armegeddon Rock
undeutliche Gestalt in der Dunkelheit. »Kommt schon«, sagte er ungeduldig. Es klang, als ob das Sprechen für ihn eine Anstrengung war. Ananda langte nach dem Lichtschalter, aber Gort hinderte sie daran und schüttelte den Kopf. Sie setzten sich in die Finsternis, eine Finsternis, die noch tiefer wurde, als Gort die Tür zu dem angrenzenden Zimmer schloß.
»Die Morgennachrichten«, sagte er matt. »Habt ihr’s gehört?«
»Wir haben geschlafen«, sagte Ananda.
»Es kam in…« Er hustete, hob eine blasse, verbundene Hand zum Mund. »… den Nachrichten«, wiederholte er. »Albuquerque. Sie verbieten das Konzert. Sie haben Angst. Es sind schon… schon vierzig-, fünfzigtausend da. Sie kampieren. Warten. Jeden Tag strömen mehr herein. Sie haben uns verboten.«
»So?« sagte Ananda scharf. »Du hast das die ganze Zeit kommen sehen, stimmt’s? In den Visionen? Sie können uns jetzt nicht aufhalten. Wir sind zu viele. Wir werden Sandy ankündigen lassen, daß die Nazgûl auf jeden Fall spielen werden, für die Leute, umsonst, und einen Dreck auf die faschistischen Behörden geben. Wollen wir doch mal sehen, wie sie versuchen, hunderttausend, zweihunderttausend oder dreihunderttausend Leute zu vertreiben. Diesmal schlagen wir zurück. Wir brennen ihre verfluchte Stadt bis auf die Grundmauern nieder und tanzen in der Asche.«
»Nein«, sagte Edan Morse heiser. »Sandy, ich will… will eine Pressekonferenz. Es ihnen sagen.«
»Ihnen was sagen?« fragte Sandy.
»Wir sagen ab«, erklärte Morse. »Wir sagen West Mesa ab.«
»Nein!« sagte Ananda. Ihre Stimme war sanfter Stahl. »Was ist los mit dir, Edan? Es läuft genauso, wie du es gesagt hast. So wie es dir gezeigt wurde, nicht? Was soll dieser Scheiß? Wir können nicht aussteigen, wo wir so verdammt nah dran sind!«
»Was mit mir los ist?« sagte Morse mit hoher, hysterischer Stimme. Er lachte, aber das Lachen wurde zu einem Hustenanfall, in dem er sich krümmte. Als er sich erholte, sagte er: »Es ist außer Kontrolle, ’nanda. Es ist nicht richtig. Nicht richtig! Es hätte… hätte aufhören müssen.«
»Was?« fragte Ananda.
»Das Bluten«, sagte Morse leise.
»Du bist krank, Edan. Krank und ängstlich, stimmt’s?«
Morse lachte wieder, schrill. »Gort«, sagte er. »Licht.«
»Bestimmt?« fragte der große Mann.
»Licht«, wiederholte Morse.
Gort machte das Licht an.
Edan Morse lag von Kopf bis Fuß in sein eigenes Blut gebadet. Es schien ihm aus jeder Pore zu sickern, an seinem Körper entlangzukriechen, die Verbände, das Bettzeug und die Decken zu durchtränken. Ein doppeltes Rinnsal rann aus seinen Nasenlöchern. Die Laken unter ihm waren fleckig von seinem Blut, die Kissen hinter ihm verschmiert und rötlich, und getrocknetes braunes Blut war in seinem Bart verkrustet. Es zerbrach, wenn er den Mund aufmachte. Das Weiße in seinen Augen war blutig geworden, und seine Pupillen sahen klein und angstvoll aus. Selbst sein Zahnfleisch blutete; sein Lächeln war wund und rot und feucht.
Ananda schnappte nach Luft. Sandy war übel. »Heiliger Jesus Christus«, sagte er leise. Er machte Anstalten aufzustehen. »Sie müssen ins Krankenhaus«, sagte er. Aber Gort packte ihn an der Schulter und drückte ihn auf den Stuhl zurück.
»Keine Zeit«, sagte Morse mit überraschender Bestimmtheit. »Und es würde nichts nützen. Es gibt keinen… keinen Grund für das hier. Unnatürlich. Ärzte könnten nicht die Bohne ausrichten.« Er hob kraftlos die Hand. »Gehört zum Preis. Aber nicht so viel. Hab nicht geglaubt, daß es so viel sein würde.«
»Tut mir leid für dich, Edan«, sagte Ananda mit harter, flacher Stimme. »Aber das ist völlig gleichgültig. Bleib hier. Ich hoffe, du kommst durch. Aber wenn nicht, ist es das immer noch wert. Die Revolution ist wichtiger als dein Leben oder meins.«
Edan Morse schloß seine roten, gequälten Augen kurz und schlug sie dann mit Gewalt wieder auf. Seine Hand fiel auf die Decke zurück. »Du verstehst… verstehst nichts. Nicht bloß ich. Die Versprechungen… Beschiß… Satan, Vater der Lügen. Es ist nicht richtig!«
Ananda stand trotzig auf. »Verflucht noch mal, Mann, was redest du da?«
Morse hob angestrengt seine linke Hand wieder hoch, langte mit der Rechten hinüber und hielt sie oben. »Der Preis war Blut!« sagte er mit aller Kraft, die er aufbieten konnte. »Ich hab ihn bezahlt, hab mein eigenes Blut vergossen, jawohl. Rasche Schnitte, tief, schmerzhaft. Nur schlossen sie sich, ’nanda!
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