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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und endlich, endlich sieht er die Sonne, eine riesige weiße Sonne, die am Ende der Straße scheint. Er eilt darauf zu, und die Sonne wächst und wächst, bis sie sein Universum ausfüllt und die Traumfetzen vertreibt.
    Als er zu sich kam, lag er auf einem schmalen Klappbett in einem vollgestopften Motelzimmer. Die Vorhänge waren offen, und Sonnenlicht flutete ihm durch das Fenster ins Gesicht. Sandy legte eine Hand über die Augen und setzte sich mühevoll auf. Ihm war schwindlig. Er war groggy und desorientiert. Er sah sich um und erkannte das Zimmer nicht wieder. Wo war er? Wie war er hierher gekommen? Für einen Moment existierte nur eine vage, erschreckende Erinnerung daran, daß er endlose, nebelverhüllte Straßen durchwandert und seltsame, surreale Gespräche geführt hatte. Und dann begann der Traum sich zu entwirren, und die anderen Erinnerungen kehrten rasch wieder. Er erinnerte sich an Denver und an das Zimmer im Hilton, an Edan Morse und Gort, die tot dalagen, und an Anandas drei sanfte Küsse.
    »Jesus«, entfuhr es ihm. Er stand mit echter Anstrengung auf, taumelte und fiel fast wieder hin. Er war sehr unsicher auf den Beinen. In seinem Kopf hämmerte es.
    Das Zimmer war leer, das Doppelbett ungemacht. Auf die eine Hälfte hatte jemand eine Zeitung geworfen. Er hob einen Teil davon auf und starrte einen langen Augenblick auf die Lettern, unfähig, den Schlagzeilen irgendeinen Sinn zu entnehmen. Dann merkte er, daß es der Sportteil war, und plötzlich fand alles seinen richtigen Platz. Das Blatt war das Albuquerque Journal vom 20. September. Er warf es aufs Bett und sah noch einmal aus dem Fenster. Dem Stand der Sonne nach schien es später Nachmittag zu sein.
    Sandy fühlte sich elend. Alles tat ihm weh. Seltsame Schmerzen schienen aufs Geratewohl auf seinen Körper einzustechen. Er hatte einen schlimmen Anfall von Schüttelfrost, und an seinem rechten Arm waren von oben bis unten Einstichmale. Aber er zwang sich, ins Badezimmer zu gehen, sich auszuziehen und zu duschen und unter dem kalten, eisigen Sprühregen stehenzubleiben, bis das Wasser den Unrat seines langen Drogenschlafs fortgespült hatte. Als er sich abtrocknete, fühlte er sich besser, erheblich besser.
    Seine Wagenschlüssel lagen auf dem Fernsehgerät. Im Schrank fand er frische Kleidung… und etwas anderes. Ein Gewehr. Schwarz und ölig, mit einem Riemen und einem großen Zielfernrohr. Sandy hatte keine Ahnung von Schußwaffen, hatte nie in seinem Leben eine abgefeuert. Aber er hob das Gewehr auf und hielt es fest, strich mit den Händen darüber; es zog ihn an. Er mußte ihnen Einhalt gebieten, dachte er. Er erinnerte sich daran, wie den Nazgûl schon einmal Einhalt geboten worden war, 1971.
    Tagtraum war gleich vor der Tür geparkt. Er war verdreckt, streifig vom Straßenstaub, seine Schnauze und die Windschutzscheibe von toten Insekten übersät. Das versetzte ihn in unglaubliche, irrationale Wut. Er öffnete die Heckklappe, warf das Gewehr hinein und leerte einen Kleidersack voll schmutziger Wäsche darüber aus. Er stieg ein und ließ den Motor an. Auf seiner Digitaluhr war es 16 Uhr 49. Er würde sich beeilen müssen.

27
     
     
    This is the end /
    My only friend the end
     
     
     
    ER HATTE DAMIT GERECHNET, sich durch den Feierabendverkehr kämpfen zu müssen, aber die Straßen von Albuquerque waren merkwürdig leer, als Sandy nach Westen auf die untergehende Sonne zufuhr. Der Himmel war von einem hellen Eierschalenblau, eine irgendwie magische und sehr zarte Färbung; er wußte, daß sie nicht lange anhalten konnte. Die Menschen, die er auf den Bürgersteigen sah, wirkten zu ruhig, fast eingeschüchtert; von den wenigen anderen Wagen, die er erblickte, hatte mindestens die Hälfte die Scheinwerfer an. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Es war, als ob eine unheimliche Stille über der Stadt hinge; sie erinnerte ihn an die Stille des Tagesanbruchs an jenem Morgen vor so langer Zeit, als Peter Faxon ihn mit hinauf in die Mesa genommen hatte, um mit dem Fliegenden Auge zu fahren. Someone told me lang ago, there’s a calm before the storm, dachte er. Und er fürchtete, daß er den Regen sehen würde, und zwar reichlich, bevor die Nacht vorüber war.
    Am Rand der Stadt geriet er in die Straßensperre.
    Tagtraum legte sich in eine lange, staubige Kurve, und da waren sie; zwei Wagen der Bundespolizei, die die Straße blockierten, und auf dem Bankett ein großer brauner, mit Segeltuch bespannter Lastwagen und ein Jeep. Der

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