Armegeddon Rock
»Du zitterst, Schatz«, sagte sie leise.
»Der Wein«, murmelte Sandy, aber er wußte, daß es nicht so war. »Mir ist schlecht von dem Scheiß-Wein, aber es heißt, im Wein liegt Wahrheit, weißt du. Wahrheit. Erinnerst du dich an die Wahrheit? In den Sechzigern war sie richtig groß, zusammen mit Frieden und Liebe und Freiheit. Was haben wir mit all dem gemacht, Maggie? Es ist, als hätten wir allesamt vergessen, als hätten wir alles vergessen, was wir waren, alles, wofür wir eingetreten sind.« Er seufzte. »Ich weiß, ich weiß, das ist jetzt alles Vergangenheit. Wir sind erwachsen geworden, wir werden alt. Aber ich sag dir, Maggie, damals waren wir besser. «
»Damals waren wir jünger«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Ja«, antwortete Sandy. »Vielleicht ist das alles. Vielleicht mache ich gerade eine Midlife-Crisis durch, was? Beklage meine verlorene Jugend. Sharon glaubt das.« Er sah Maggie störrisch an. »Ich kauf’s trotzdem nicht. Es ist mehr als das. Ich erinnere mich… ich erinnere mich, zum Teufel, ich weiß, es war beschissen damals, wir hatten den Krieg und Rassismus und Nixon und den alten Spiro, aber weißt du, wir hatten auch… ich weiß nicht… so was wie Optimismus. Wir wußten, daß die Zukunft besser werden würde. Wir wußten es. Wir würden dafür sorgen. Wir würden die Dinge um uns herum verändern, und wir hatten die Jugend, stimmt, also war die Zeit auf unserer Seite. Wir wußten, was richtig und was falsch war, und wir wußten, wer die Bösen waren, und es gab ein Gefühl der Zugehörigkeit. « Seine Stimme wurde ruhiger, während er sprach, schraubte sich von selbst herab. »Es war der Anbruch des gottverdammten, verfluchten Zeitalters des Wassermanns – the Age of Aquarius, weißt du noch? When peace will guide the planets, and love will steer the stars. Nur daß love and peace zusammen mit ausgestellten Hosen und langen Haaren und Miniröcken irgendwie aus der Mode gekommen sind, und ich kann ganz gewiß nicht mehr sagen, wer die Bösen sind.« Er schnitt eine Grimasse. »Ich glaube, einige von denen sind wir.«
»He«, sagte Maggie und schüttelte ihn sanft. »Nimm’s nicht so schwer. So schlimm ist es nicht, Schatz. Dann ist es eben nicht das Morgen, das wir uns erträumt haben. Die Dinge sind am Ende nie so, wie man gedacht hat. Wir haben uns verändert, Sandy. Wir haben dem Krieg ein Ende gemacht. Wir haben die Colleges verändert, und wir haben die Regierung verändert, und wir haben alle Regeln in bezug auf Mann und Frau und Liebe und Sex verändert. Wir sind sogar Tricky Dick Nixon am Ende losgeworden. Dann ist es halt nicht das Zeitalter des Wassermanns. Es ist trotzdem noch anders, als es ohne uns gewesen wäre. Und besser.« Sie beugte sich hinüber und küßte ihn schnell auf die Nasenspitze. »Denk es dir so: Wenn es die Sechziger nicht gegeben hätte, dann wären die Fünfziger immer weitergegangen.«
Sandy erschauerte und lächelte sie an.
»Und du persönlich hast dich gut gemacht, Liebster«, fuhr Maggie fort. »Du hast Bücher geschrieben. Das ist doch was. Du hast auf der Welt eine Spur hinterlassen.«
Sandys versuchsweises Lächeln welkte dahin, und er wandte den Blick von ihr ab. Ja, dachte er, im Wein ist Wahrheit. »Ich bin wirklich ’n großer Erfolg«, murmelte er mit mehr als nur einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme. »Jedes Buch, das ich schreibe, verkauft sich schlechter als das davor, mein Agent ist drauf und dran, mich zu feuern, die Times schreibt, ich hätte ebensoviel literarische Relevanz wie Steal this book oder Der amerikanische Greening-Apfel, und ich habe diese schreckliche Schriftsteller-Verstopfung, was jetzt, wo ich aufhöre, darüber nachzudenken, wirklich eine gute Metapher ist, weil ich so eine Ahnung habe, daß dieser gottverdammte Roman – wenn ich ihn je fertigkriege – ein Haufen Scheiße ist. In acht Monaten geht mir das Geld für meine Hälfte der Hypotheken-Abzahlungen aus, was eigentlich alle Ansichten Sharons darüber bestätigt, wie verantwortungslos ich bin. Sharon und ich haben diese tolle Beziehung. Wir haben einen Vertrag, weißt du, so was wie einen Heiratsvertrag, außer daß wir nicht verheiratet sind, der legt alles schriftlich fest, und zwar haarklein, alles, wie die ganze Hausarbeit, der finanzielle Scheiß und was passiert, wenn wir uns entscheiden, uns zu trennen. Jede gottverdammte Kleinigkeit, außer was wir im Bett tun. Da improvisieren wir, damit alles spontan bleibt. Sie ist wundervoll,
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