Armegeddon Rock
sagte sie. »Weißt du noch? Deshalb haben wir uns getrennt. Ich war zu verrückt für dich. Du wolltest mehr Stabilität. Du wolltest was Vernünftiges.«
»Ich wünschte, ich wüßte, was zum Teufel ich wollte«, sagte Sandy. »Ich glaube nicht, daß ich da hin will, wo Sharon hin will, aber zumindest will sie irgendwohin. Und ich, ich wandere nur von einem Tag zum andern oder so.« Er wandte sich um, um Maggie anzusehen, ergriff sacht ihre Hand und küßte sie. »Und was ist mit dir?« fragte er. »Ich war so damit beschäftigt, dir von meinem Leben zu erzählen, daß ich dich nicht mal nach deinem gefragt habe.«
Maggie zuckte müde die Achseln. »Ich bearbeite meinen Garten«, sagte sie. »Ich arbeite im Büro, an der Schreibmaschine und so’n Mist. Ich lese. Ab und zu geh ich aus und laß mich aufreißen. An manchen Tagen bin ich einsam. Meistens ist es okay.«
»Männer?«
»Sicher. Einige wenige seit dir, die was Besonderes waren. Hab mit einem Typ namens Bob zwei Jahre zusammengelebt. Er unterrichtete an der High School. Am Ende war ich zu verrückt für ihn. Ich bin in der Frauenbewegung aktiv. Ich versuche Geld zu sparen, um wieder aufs College zu gehen. Hätte nie abgehen sollen.«
»Ich hab’s dir gesagt«, meinte Sandy.
»Ich weiß. Zu der Zeit schien mir die Revolution wichtiger zu sein. Kurse waren so was von Blödsinn. Wer brauchte schon ein Stück Papier. Hm?«
Sandy lächelte wehmütig. »Ich kenn’ die Sprüche noch«, sagte er.
»Ich komm schon klar«, sagte Maggie. »Ich hab dich vermißt. Ich hab meine Fehler gemacht. Hin und wieder packt mich die Reue. Wen nicht? Aber ich komm schon klar, Sandy.« In ihrer Stimme war eine Spur von Resignation, als sie es sagte, die Sandy irgendwie sehr traurig machte.
Er legte sich wieder dicht zu ihr, nahm sie in die Arme und küßte sie. Jetzt, wo es mit dem Sex vorbei war, stieg ihm der Wein zurück in den Kopf und beanspruchte den Bereich, aus dem die Lust ihn vertrieben hatte. Er flüsterte Maggie leise etwas zu, und sie flüsterte zurück, und irgendwo im Lauf des Geflüsters überschritten sie die Linie, die sie in früheren Jahren so oft zusammen überschritten hatten. »Ich schlafe nicht«, hörte Sandy sich tapfer erklären, aber die Erklärung selbst weckte ihn auf, und er erkannte schlafmützig, daß Maggies Anschuldigung Stunden her war, daß es schon fast dämmerte, und Maggie schnarchte leise in seinen Armen. Ihr Gesicht war ganz dicht an seinem. Im Schlaf war viel von dem inneren Feuer aus ihrem Gesicht verschwunden. Sandy konnte die Linien unter ihren Augen sehen, die Schwermut unter ihrer Haut. Ihre Nase war zu groß und krumm, wo sie gebrochen gewesen war, und ihre halb geöffneten Lippen waren feucht von Speichel. Er ertappte sich dabei, wie er an Sharon dachte, die zweifellos in ihrem Haus in Brooklyn schlief, in dem großen Messingbett, ihr aschblondes Haar auf dem Kissen ausgebreitet, ihr glatter, gepflegter Körper in einem seidenen Kamisol. Schön, wie Maggie es nie gewesen war.
Und auf ihre Weise liebte sie ihn. Sie war gut zu ihm gewesen. Aber auch dann war Sandy froh, daß er hier war und nicht dort. Er küßte Maggie sanft, um sie nicht zu wecken, kuschelte sich dichter an sie und überließ sich wieder dem Schlaf.
6
Show me the way to the next little girl /
oh don’t ask why, oh don’t ask why
SANDY HATTE SICH WÄHREND seiner Studentenzeit an der Northwestern University ziemlich gut in Old Town ausgekannt. Schon damals war es auf die Touristen zugeschnitten, überteuert und ein Hort der Kriminalität gewesen, aber man konnte dort gute Musik hören. Eher Folk als Rock, aber jedenfalls gut, und so war Sandy nicht abgeneigt, dorthin zurückzukehren.
Rick Maggio lebte in Old Town, aber das hieß leider nicht, daß er auch in Old Town spielte. Sandy konstatierte, daß er kehrtmachte und mit Tagtraum den Dan Ryan entlang in den Süden von Chicago fuhr, um den einen billigen Schuppen zu finden, in dem Maggios Band jede Nacht auftrat.
Nach Cleveland und Maggie hatte er sich ziemlich gut gefühlt, aber der erste Blick auf die Kneipe, wo Maggio spielte, reichte aus, um Sandy die ganze restliche gute Laune zu verderben. Das Come On Inn war ein trostloser kleiner Laden, eingeklemmt zwischen zwei auffälligeren und größeren Bars an einer Parallelstraße zur Autobahn nahe der Grenze zu Indiana. Das große C in der Leuchtschrift war defekt, ging dauernd aus und flackerte dann mühsam und unruhig wieder
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