Armegeddon Rock
nur schlabbrig fett. Sein Gesicht war aufgedunsen, die früher sinnlichen, spöttisch verzogenen Lippen waren wulstig geworden. Sein langer Fu Man Chu-Schnurrbart war geschnitten und gestutzt gewesen, und jetzt leistete ihm ein Bart Gesellschaft, aber der Bart war ungepflegt und sah aus wie ein Mischmasch gebrauchter Brillo Pads {2} , die er sich ins Gesicht geklebt hatte. Sandy argwöhnte, daß er ein Doppelkinn verbarg. Maggio trug Jeans, eine Goldlamé-Weste und ein grünes T-Shirt mit großen dunklen Flecken unter den Armen, wo es von Schweiß durchtränkt war. Das T-Shirt war zu klein. Es spannte um den Bauch, und als Maggio sich zu rasch krümmte, rutschte es ihm nach oben und gab den Blick auf bleiche, weiße Haut frei.
Die Kellnerin stellte ihm das Bier mit einer Cocktail-Serviette als Untersatz auf den Tisch, die mit Schwiegermutter-Witzen verziert war. »Zwei Dollar«, sagte sie.
»Für ein Faßbier?«
Sie zuckte die Achseln. »Nur einen Dollar, wenn die Stones nicht spielen.«
Sandy zückte seine Brieftasche und zog drei Dollar-scheine und eine seiner purpur-silbernen Visitenkarten mit dem Hedgehog -Cartoon heraus. »Zwei für das Bier und einen für dich, falls du diese Karte Mick Jagger gibst, wenn die Band ihre Pause macht. Sag ihm, ich will mit ihm reden.«
Sie sah unsicher auf die Karte und dann wieder zu Sandy. »Du bist’n echter Reporter? Ehrlich?«
»Klar. Erkennste Dan Rather nich?«
Sie schnaubte und verzog sich.
Auf dem Bier war zuviel Schaum. Sandy trank einen Schluck und lehnte sich wieder zurück, um der Musik zuzuhören. Die Band war wahrlich schauderhaft, entschied er, nachdem er gehört hatte, wie sie »Michelle« schlachteten und »The City of New Orleans« entgleisen ließen. Der rothaarige Baßmann improvisierte die Texte größtenteils. Der Drummer war ganz woanders, in seiner eigenen Welt, und fiel an völlig unpassenden Stellen gern mit Schlagzeugsolos ein. Das Mädchen an den Keyboards schien manchmal andere Songs zu spielen als die übrigen. So heruntergekommen er sein mochte, war Maggio eindeutig das einzige, was der Gruppe überhaupt irgendwelche Professionalität verlieh. Er spielte lustlos, wie zu erwarten war, aber ab und zu konnte man etwas von seinem alten Stil aufblitzen hören, und in seiner Stimme war immer noch dasselbe rauhe Raspeln, das in den Zeiten, als die Nazgûl ganz hoch geflogen waren, einen so guten Kontrapunkt zu Hobbins’ Gesang gebildet hatte. Es war eine häßliche Stimme, voller Gift und Schmerz und Möglichkeiten. Es machte Sandy krank, sie »Tie a Yellow Ribbon Round the Old Oak Tree« singen zu hören.
Gott sei Dank kam die Pause gleich nach dem ersten Barry Manilow-Song. Die Kellnerin gab Maggio die Karte, als er von der Bühne stieg. Verblüfft warf er einen Blick darauf und sah dann über die Bar zu Sandy hin. Die Verblüffung wich einem wachsamen, leicht feindseligen Ausdruck, als er die Bar umrundete und durch den Raum kam. »Wo ist der Witz, Mann?« fragte er mit harter, unfreundlicher Stimme, als er da war. Er ließ die Karte in eine Bierlache auf Sandys Tisch fallen.
»Kein Witz«, sagte Sandy und setzte sich ein bißchen auf. Er machte eine Handbewegung zu dem anderen Stuhl. »Setz dich. Ich geb dir einen Drink aus.«
Maggio sah aufgebracht aus. Er machte keine Anstalten, sich zu setzen. »Ich krieg meine Drinks frei, Mann«, fauchte er. »Behalt deine verdammten Gefälligkeiten für dich. Was für einen Scheiß versuchst du hier abzuziehen? Du bist von keinem Hedgehog, also verschon mich mit all so ’nem Mist.«
Sandy war ein wenig betroffen von der Vehemenz in Maggios Stimme. »He«, sagte er. »Laß gut sein. Ich bin vom Hedgehog. Sandy Blair. Verdammt, erkennst du mich nicht? Ich hab dich früher schon zweimal interviewt.«
»Ja? Wann?«
»’69 in Boston, gleich nachdem das schwarze Album rauskam. Und ’71, zwei Wochen vor West Mesa. Du warst mit diesem verrückt aussehenden schwarzen Mädchen mit dem rasierten Kopf zusammen, aber du hast mich gebeten, sie in der Story nicht zu erwähnen. Hab ich auch nicht gemacht.«
Das schien Maggios Feindseligkeit zu mildern. Er lächelte sogar kurz und nahm auf dem Stuhl gegenüber von Sandy Platz. »He, ja, ich erinnere mich«, sagte er. »Das war ’ne süße kleine Votze. Vielleicht bist du korrekt. Wie war der Name doch gleich? Blair?«
Sandy nickte.
»Ach ja, klar«, sagte Maggio, »ich glaube, ich weiß jetzt wieder. Wir sind ’ne verfluchte Million mal interviewt worden,
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