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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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an die Kreuze genagelt und diese aufgerichtet. Niemand achtete darauf, ob die Römer noch lebten oder aus ihnen schon Manen, Totengeister, geworden waren. Man schnitt ihnen die Augen heraus, warf diese achtlos weg und stellte die Kreuze auf. Ergimer wollte zwar dazwischengehen, den Vater aufhalten, aber es war zu spät. Dann weinte Segimer blutige Tränen und brach in die Knie. Der Junge ging und setzte sich zu ihm. Der Vater legte seinen schweren Kopf in seinen Schoss.
    »Worüber weinst du, Vater?«, fragte Ergimer.
    »Über unsere verlorene Freiheit. Sie werden wiederkommen, immer mehr Römer werden kommen. Mein Leben und das meiner Nachkommen wird in Sklaverei enden!«
    »Nein«, schrie Ergimer.
    »Es wird so kommen, weil du nicht mehr da bist!«
    »Aber ich bin da, ich bin doch da!«, rief der Knabe, in dessen Leib das Leben zurückkehrte. Auch Nehalenia schlüpfte wieder in die leblose Hülle ihres Körpers, der neben dem Kessel lag. Sie stand auf, als wäre nichts geschehen. Ergimer weinte, erbrach sich, dann fiel er in einen tiefen Schlaf.
    Erst zwei Tage später schlug der Junge die Augen auf, erhob sich vom Lager, verließ Hütte und Steinkreis, trat zu seinem Vater und umarmte ihn.
    »Hab keine Angst, Vater, ich bin da!«
    Segimer war zu glücklich über die Genesung seines Sohnes, um sich über dessen seltsame Worte zu wundern. Nun trat Lanina, die mit den anderen Frauen aus den Knochen der toten Tiere Brühe kochte, zu ihnen und fuhr mit ihrer Hand durch sein struppiges rötliches Haar.
    »Dein Vater hat eine Überraschung für dich«, sagte sie.
    »Wir begeben uns morgen zum Thing, mein Sohn«, verkündete Segimer ihm. »Wir müssen unser Verhalten gegenüber den Römern beraten.«
    Der Junge hörte nicht auf den Zweck des Things, er hörte nur eines heraus, dass er endlich Elda wiedersehen würde, das Mädchen, das ihm wie eine Schwester war. Er konnte es kaum erwarten und freute sich darauf mit jeder Faser seines Herzens.

4
    Der Rückzug zerrte immer heftiger an den Nerven des ganzen Expeditionsheeres und machte die Leute unwirsch. Julius schmerzte es, wenn er beobachtete, wie die Legionäre heimlich den Kopf über seinen Vater schüttelten. Einige hielten Drusus wohl für verrückt, andere für feige, weil er im entscheidenden Augenblick umgekehrt war. Da den Männern ein Teil des Soldes erst bei ihrer Entlassung nach zwanzig harten Dienstjahren ausgezahlt werden würde, lebten sie auch von der Beute, die sie auf den Feldzügen machten. Deshalb zürnten sie ihrem Feldherrn, der dafür gesorgt hatte, dass sie nach all den Strapazen des Kriegszuges nun mit leeren Händen dastanden. Ohne eine Schlacht geschlagen zu haben, kehrten sie wie Verlierer zurück. Zu allem Überfluss zogen sie bei unablässig strömendem Regen über aufgeweichte Wege. Und bei jeder Meile, die sie, tief einsinkend in den germanischen Schlamm, zurücklegten, wuchs ihre Wut auf Drusus.
    Ein paar Legionäre plagten sich gemeinsam mit den Kutschpferden ab, den schweren Reisewagen über den aufgeweichten Bergweg auf die Kammstraße zu wuchten. Dabei mussten sie bedächtig zu Werke gehen, damit das Gefährt nicht ins Rutschen geriet und sie in die Tiefe stieß. Schließlich bat der kommandierende Centurio, die Ehefrau des Feldherrn, ihren Sohn und die chaldäische Sklavin auszusteigen. Weil es hinter dem Wagen gefährlich werden konnte, gingen sie voran. Antonia verfluchte den ewigen Regen, die Eintönigkeit der Landschaft. Sie nahm Julius an die Hand, der nach unten blickte und seine Füße dabei beobachtete, wie sie schmatzend durch den Schlamm des Pfades stapften. Ein spitzer Aufschrei seiner Mutter lenkte seine Aufmerksamkeit nach vorn.
    Drusus stürzte mit seinem Pferd den Hang hinunter. Ihren Sohn mit sich ziehend eilte Antonia den Weg wieder hinab bis zu der Stelle am Fuße des Berges, wo ihr Mann unter seinem Hengst begraben lag. Seltsam, aber der Vater war nicht das Erste, was das Kind am Unglücksort wahrnahm, sondern die großen schwarzen Pferdeaugen, in die langsam, aber unaufhaltbar die Kälte des Todes drang. Nie mehr würde er das stumme Bitten der Kreatur vergessen können, als ob es in jemandes Macht stünde, die Kälte und den Tod zu verscheuchen. Erst nachdem drei Militärtribunen das sterbende Tier von dem Feldherrn gezogen hatten, nahm er seinen Vater wahr, der nun mühsam aufzustehen versuchte. Doch ein jäher Schmerz im linken Unterschenkel warf ihn nieder. Die Qual stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Ruhig,

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