Arminius
– zumeist Reiter, die auf zwei Lager verteilt waren –, zu inspizieren und sich ihnen vorzustellen. Da der größte Teil der Einheiten im Lager Aliso stationiert war, brach er am nächsten Tag gemeinsam mit Velleius dorthin auf.
Es war ein milder Frühlingstag. Und wieder folgte Arminius einem Weg, den er vor vielen Jahren bereits in umgekehrter Richtung zurückgelegt hatte. Damals waren sie von Aliso zum Rhenus aufgebrochen, den Leichnam des Drusus begleitend. Doch trotz seiner wachen Erinnerung erkannte Arminius den Weg nicht wieder. Die sumpfigen Stellen wurden inzwischen durch Bohlenwege überbrückt. Römische Straßen erschlossen das einstmals wilde Land. Natürlich stellte der Ausbau des Straßen-und Wegenetzes einen großen Fortschritt dar, aber dennoch krampfte sich das Herz des Arminius beim Anblick der kultivierten Landschaft zusammen. Für einen Moment wünschte er die alte Unberührtheit zurück, bevor er sich über seine Wehmut wunderte und sie nachsichtig belächelte.
Auch Aliso war kaum wiederzuerkennen. Zwar hatte sich das befestigte Lager selbst nicht verändert, aber die kleine Siedlung vor der Festung hatte sich zu einer richtigen Stadt gemausert. Bevor Arminius sich zu den Hilfstruppen begab, die in der Nähe des Militärlagers über ein eigenes Kastell verfügten, erforderten es der Anstand und die guten Sitten, dass er dem Kommandanten des Drei-Legionen-Lagers, dem Legaten Caecus, einen Besuch abstattete. Dieser war ein erfahrener Berufssoldat, hart, aber nicht grausam, einer der wusste, was nottat, aber auch die Grenzen kannte.
Arminius und Velleius waren überrascht von dem Tumult, der vor dem Amtssitz des Kommandanten herrschte, der offenbar gerade Gericht hielt. Auf dem Platz vor dem Gebäude standen dicht gedrängt die Legionäre und verfolgten, was auf dem Tribunal geschah. Von hinten schoben die, die nichts sehen konnten, während die Davorstehenden ihren Platz mit Fußtritten und Ellbogenstößen verteidigten. Nur maulend machten sie den beiden hohen Offizieren Platz.
Caecus saß auf einem Stuhl, vor ihm kniete ein blonder Junge, vielleicht sechzehn oder achtzehn Jahre alt, halb nackt, mit blutverschmiertem Gesicht und roten Striemen auf dem Rücken. Arminius und Velleius ritten bis an die Tribüne des Kommandanten heran, sprangen vom Pferd und reichten die Zügel zwei Soldaten. Als Caecus die beiden sah, erhob er sich, um sie willkommen zu heißen.
»Ah, Velleius. Sei gegrüßt. Wen bringst du mit?«
»Julius Cäsar Arminius«
»Gäste dieser Art sind mir immer höchst willkommen!«
»Ich danke dir, Caecus, aber heute fehlt uns leider die Zeit, bei dir einzukehren. Der junge Mann neben mir kann es kaum erwarten, die ihm unterstellten Truppen zu inspizieren.«
»Das zeichnet den echten Feldherrn aus! Im Gegensatz zu den politischen Offizieren, die ihre Leute das erste Mal sehen, wenn sie mit ihnen in die Schlacht ziehen müssen. Wenn sie nicht gar das römische Gemeinwohl vorschützen, um den Kampf ganz zu schwänzen. Ein Volk, das sich auf seine Politiker verlässt, ist verraten und verkauft«, sagte Caecus und spuckte aus.
Arminius dachte an Varus und musste unwillkürlich lächeln. »Ich glaube, wir sollten ein Treffen nicht auf die lange Bank schieben.«
»Ich lade euch ein, heute Abend bei mir zu essen und im Lager zu übernachten.«
»Ich werde wohl den Abend und die nächsten Tage mit den Unterführern meiner Truppen zubringen, aber in vierzehn Tagen komme ich wieder«, versprach Arminius.
»Einverstanden, dann musst du aber hierbleiben. Eine weitere Entschuldigung wird nicht mehr akzeptiert«, sagte Caecus freundlich.
»So sei es.«
»Was ist mit dir, Velleius, musst du ihm heute Abend Händchen halten, oder kommst du auf eine Karaffe Wein in mein Haus?«
Velleius nickte zum Zeichen, dass er gern bei dem Kommandanten einkehren würde.
»Was ist mit dem dort?« Arminius wies mit einem Nicken auf den immer noch knienden jungen Mann.
»Ein Deserteur! Wollte weglaufen. Meine Männer haben ihn eingefangen. Gehört zu deinem Kommando. Eigentlich droht ihm das fustuarium. Aber ich schenke ihn dir. Entscheide du. Du bist ja nun sein Kommandeur.«
Arminius wusste, was diese Strafe bedeutete: Der Jüngling würde durch eine Gasse von Soldaten der eigenen Einheit laufen müssen, die ihn mit Knüppeln zu Tode prügelten. »Gib ihn mir mit«, sagte er zu Caecus.
Die Legionäre, um das Spektakel der Exekution gebracht, schimpften und fluchten.
Caecus erhob sich und
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