Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
Arminius genannt wird. Ob er der König der Krieger ist, weiß ich allerdings nicht.«
    Gana wandte sich nun an Arminius: »Bist du der König der Krieger?«
    »Nein, ich bin nicht der König der Krieger«, antwortete er beklommen. Ein Raunen ging durch die Priester. »Aber ich bin der, der es sein wird«, fügte er mit fester Stimme hinzu.
    »Bist du sicher?«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Warum bist du dann hier, wenn du alles weißt?«
    »Ich werde nur König der Krieger sein, wenn die Götter der Krieger es genauso wollen. Mit ihnen ist alles, gegen sie ist nichts. Nerthus muss mich salben, Wotan mir beistehen und Tyr mir das Schwert führen.«
    »Sag, was du wünschst!«
    »Eure Fürsprache! Eure Hilfe! Euren Rat!«
    »Mehr nicht?«
    »Viel mehr noch, ich benötige nämlich das Wort der Göttin.«
    »Was für ein Wort?«
    »Das Wort von dem, was sein soll.«
    »Das ist das Schwerste. Du weißt nicht, wie dein Reich aussehen soll?«
    »Wie kann ich das wissen?«
    »Du bist der König!«
    »Ich bin Nerthus’ König, und es ist ihr Reich, wie es das Reich der Germanen sein wird, nicht mein Reich, sondern das Reich aller Germanen.«
    Der Vorhang raschelte. Gana trat wieder zu Nerthus, blickte hinter den schweren Stoff und hörte eine ganze Weile zu. Arminius war, als vernähme er ein Wispern, das nicht von einer, sondern von tausend Stimmen herrührte, als flüsterten alle Gräser und alle Halme des Germanenlandes miteinander. Als Gana zurückkehrte, nahm sie die Doppelaxt und hielt auf ihn zu, die kultische Waffe fest mit den Fingern umspannt, so als wollte sie ihn damit erschlagen. Arminius schloss die Augen. Hatte er die Prüfung nicht bestanden, endete hier sein Weg?
    Plötzlich fühlte er, wie die Stricke von ihm abfielen. Er wollte aufstehen, doch er stürzte, denn ihm waren inzwischen alle Glieder eingeschlafen. Zwei Priester eilten herbei und stützen ihn. Sie führten ihn zum Kessel. Das Feuer unter dem Behälter war unterdes erloschen und das Blut erkaltet. Sie setzten ihn hinein. Gana schöpfte mit einem bronzenen Kegel das Blut, so wie es kam, über seinen Kopf, seine Schultern, sodass es an ihn herabfloss. Dann gab sie ihm von den Innereien zu essen. Die Wärme des Lebens ging von dem Opfertier auf ihn über, drang durch alle Poren.
    Gana schaute auf ihn herab. »Du bist der König.«
    Jubel brach aus. »Der König ist da!«
    Die Priester halfen Arminius aus dem Kessel heraus und führten ihn zu Nerthus. Langsam kehrte das Leben in seine abgestorbenen Gliedmaßen zurück. Er kniete vor dem Wagen. Dann hörte er Ganas Stimme, eine Stimme, die er niemals im Leben vergessen würde, so hoch, dass sie wie eine hauchdünne Sehne in sein Gehirn schnitt, immer aufs Neue:
    »Vieles weiß ich,
Fernes schau ich: Der Rater Schicksal,
der Schlachtgötter Sturz
Brüder kämpfen
Und bringen sich Tod,
Brudersöhne
Brechen die Sippe;
Arg ist die Welt,
Schwertzeit, Beilzeit,
Schilde bersten,
Windzeit, Wolfszeit,
bis die Welt vergeht –
nicht einer will
den anderen schonen.
Vieles weiß ich,
Fernes schau ich:
Einen Saal seh ich
Sonnenglänzend,
mit Gold gedeckt,
wohnen werden
dort wackre Scharen,
der Freuden walten
in fernste Zeit.«
    Gana kniete nun vor Arminius nieder und schaute ihm dennoch auf gleicher Höhe in die Augen. Jetzt erst entdeckte er, dass sie ein blaues und ein braunes Auge besaß.
    »König, mit dir seien die Nornen, mit dir die Asen, mit dir die weisen Frauen, mit dir die Priester, die Gefolgsherren und die Krieger, die Frauen und Kinder unserer Stämme. Manches werden dir die Priester sagen, vieles aber musst du selbst erkennen, darin besteht deine Aufgabe!«
    Damit erhob sich Gana und nahm wieder auf den Bock des Wagens Platz. Die Männer zogen den Wagen, wendeten und jagten die Steilklippe hinab. Zwei Priester geleiteten den König zurück zur Säule. Gesang und Trommelklang erfüllten erneut die Luft, Sinthgunt und Sunna setzten ihre Reise fort, die Zeit erwachte aus ihrer Erstarrung, die Wellen wogten wieder, die Brandung brauste von Neuem und die Nornen spannen wie eh und je eine Stunde wieder an die nächste. Die Welt füllte ihre Lungen mit Atem, und das Leben setzte wieder ein.
    Die Priester ließen Arminius ihren Rat wissen. Nicht im kommenden, sondern im darauffolgenden Jahr solle er zuschlagen, erst gegen die Römer, dann gegen Marbod. Und er solle sich erst am Tag des Aufstandes als König zu erkennen geben, bis dahin war Vorsicht geboten. Denn überall hatte der Verrat seine Fallstricke

Weitere Kostenlose Bücher