Arminius
Politik nannte und das, selbst wenn es sich zuweilen als Klatsch und Tratsch verkleidete, immer tödlich endete. Schneller als Gift oder Stahl tötete in Rom die Intrige.
Auch deshalb freute sich Germanicus auf den Tag, an dem er mit einem Heer in den Osten ziehen würde, um das schaurige Reich der Parther zu unterwerfen. Und er sehnte sich nach seinem Freund Arminius, mit dem er vorbehaltloser als sogar mit Ovid über alles sprechen konnte, was ihm durch den Kopf ging. Nach dem Freund, der ihm mehr war als ein Bruder. Und den er manchmal in Gedanken Bruder nannte.
Oh, er kannte das zornige Funkeln in ihren Augen nur zu gut, er liebte und er fürchtete es zugleich, doch diesmal gab es den Grund des Herzens, sich unter allen Umständen durchzusetzen.
»Ich werde mit dir gehen!«, fuhr Elda ihn in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer im Lager der Hilfstruppen in Aliso an.
Arminius blickte auf ihre Tochter, die in der Wiege lag und mit einem bunten Tuch spielte. »Nein. Heban bringt dich und Lenia zu den Rugiern.«
»Eine Frau gehört in der Stunde der Gefahr an die Seite ihres Mannes!«
»Und wer kümmert sich dann um unsere Tochter? Schau sie dir an.«
Elda beugte sich zu Lenia und nahm sie hoch.
»Die Welt ist ein reißender Wolf. Jemand muss da sein, der Lenia beschützt!«, fuhr Arminius fort. Als er Elda mit seiner Tochter auf dem Arm sah, ihr Engelslächeln, die kleinen Fingerchen, die Stupsnase, wurde ihm schmerzlich ihre Verletzlichkeit bewusst. Wieder, wie schon so oft in den letzten Monaten und Wochen, wünschte er sich weit weg, in ein Leben, in dem er sich nur um seine Landwirtschaft zu kümmern brauchte und für seine wachsende Familie zu sorgen hatte, in dem es keine Waffen und keine Kriege gab, keine Politiker und keine Steuereintreiber. Denn sie waren es, die Machthungrigen und die Geldgierigen, die die Welt verdarben, deren Dreistigkeit die Erde in eine Räuberhöhle verwandelte, weil sie vor nichts Achtung hatten und kein Gewissen ihnen schlug! Er liebte seine Frau, er vergötterte seine Tochter. Warum konnte er sich nicht zurückziehen und nur glücklich mit ihnen leben, anstatt das Schwert zu führen in dem vergeblichen, weil nie endenden sich gegenseitig Abschlachten, weshalb nicht einfach ausbrechen aus dem ewigen Kreislauf, den nur das Blutvergießen in Gang hielt?
Leider kannte Arminius die Antwort nur zu gut: weil man ihn im gleichen Moment, in dem er das Schwert niederlegte, erschlagen würde und unmittelbar darauf seine Frau und sein Kind. Es gab leider keinen Ausweg aus der Gewalt, nur die verdammte Pflicht zum Sieg. Nur der Triumph allein konnte ihm vielleicht eine Atempause verschaffen, eine Atempause, die möglicherweise sogar ein Leben lang hielt, bevor das Metzeln eines gewissen Tages unweigerlich erneut einsetzte. Er tröstete sich mit der Hoffnung, dass der Frieden umso länger halten würde, umso gründlicher er die Feinde schlug. Kein Weg führte indes an der Einsicht vorbei, dass das Leben nicht ohne Tod zu haben war.
»Nein, Elda, es bleibt dabei, ihr geht zu den Rugiern. Heban bringt euch hin!« Mit diesen Worten trat er zu ihr, nahm seine kleine Tochter auf den Arm und drückte sie an sich.
»Pass auf!«, mahnte Elda.
»Ja, ich pass auf«, erwiderte er lächelnd. Lenia war so klein, so schön, so schutzlos, dass es ihm das Herz zu zerreißen drohte. Und er erinnerte sich an die Geschichte des römischen Flüchtlings vom Massaker in Sirmium und an das Bergdorf in der Dalmatica, das seine Leute verheert hatten, an die Schreie der Kinder, an das Wimmern der Frauen und die Verzweiflung der Männer, an die Pein ihrer Machtlosigkeit. Immer noch gellten in dunklen Stunden die Laute ihrer Qual in ihm nach. Man darf den Kindern nichts tun, dachte er grimmig. Und er schwor, jeden zu töten, der sich an einem Kind vergriff, ganz gleich, wer es war.
Er küsste Lenia auf ihre kleine Stirn. »Ihr geht ins Rugierland!« Dabei wusste er doch, dass er sich betrog – wenn er versagte, wäre auch das Land jenseits der Albia nicht mehr sicher. Im Augenblick des Abschieds spürte er die Verantwortung, die schwer wie die Welt auf seinen Schultern lastete. Denn so, wie er sein kleines Glück in den Händen hielt, vertrauten ihm die anderen Väter und Mütter ihr Glück an, das größer war als alles auf der Welt, ihr Leben und das Leben ihrer Söhne und Töchter. Er mochte es drehen und wenden, wie er wollte, er trug die Verantwortung. Deshalb durfte er sich keinen Fehler leisten, denn der
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