Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
ihren Adern, als Augustus mit der Stimmkraft Hunderttausender Römer brüllte: »Varus! Varus! Gib mir meine Legionen wieder!«
    Die Klage durcheilte die Flure der Villa, breitete sich in Windeseile über dem Palatin aus, um dann durch die Straßen und Gassen Roms zu laufen, schnell wie gedungene Mörder, die die tödlichen Worte in jedes Ohr trieben. Jetzt zerriss Augustus in einem Anfall der Raserei, der nicht enden wollte, seine Toga, danach seine Tunika, raufte sich das Haar und brach schließlich zusammen. Flavus wandte sich ab. Nackt auf dem Boden liegend schluchzte der Kaiser nur noch wie ein Kind: »Gib mir, gib mir, gib mir meine Legionen wieder, Varus!«

32
    »Ich bin schneller als du, Vater!«, rief Lenia mit einem jubelnden Schalk in der Stimme, den er bis ans Ende seiner Tage nie vergessen würde. Dann zog das sechsjährige Mädchen auf ihrem Braunen an seinem Rappen vorbei.
    »Und wie du schneller bist!«, lachte Arminius vergnügt und zügelte sein Pferd, das eigentlich nicht bereit war, sich überholen zu lassen. Er hatte seiner Tochter bereits vor einem Jahr das Reiten beigebracht. Als Elda einwandte, dass sei vielleicht etwas früh, hatte er ihre Bedenken einfach beiseitegeschoben.
    »Königstöchter werden auf den Rücken der Pferde geboren. Und Lenia ist eine Königstochter, denn sie macht mich zu einem König.«
    Er hatte sich an den guten Geschmack des Friedens gewöhnt und liebte ihn inzwischen. Auch wenn dieser zuweilen etwas erdig war, so roch er doch nicht beständig nach Menschenblut.
    Jetzt flogen sie über die Wiesen, vorbei an den ausgebleichten Weiden der Rinder und Schafe. Die Luft durchzogen schon die würzigen Aromen reifender Kastanien und Eicheln. Bald erreichten Vater und Tochter das Feld und halfen bis zum späten Nachmittag den Bauern bei der Ernte des Getreides, das in diesem Jahr erst sehr spät reif geworden war. Arminius hatte sich schon besorgt gefragt, ob sie es noch einfahren könnten, bevor die Herbstregen einsetzten.
    Elda hatte ihn nur umarmt und liebevoll gespottet: »Ach, mein großer Bauer Arminius, die Natur wird für das Ihre schon sorgen, kümmere du dich um das Deine!«
    Es hatte Arminius sehr gefuchst, dass er bei der Führung der Wirtschaft anfangs auf Eldas Rat und die Hilfe seines Verwalters angewiesen gewesen war. Das Kriegshandwerk hatte er von Grund auf gelernt, nicht aber den Beruf des Bauern, die Kunst des Kämpfens und Tötens beherrschte er, nicht aber die des Säens, Hegens und Erntens. Sicher, auch als Landwirt gab er nicht nur Leben, sondern nahm es auch, aber das vollzog sich nicht in der Art des Kriegers.
    Auch hatte es seiner Eitelkeit schmerzliche Wunden geschlagen, als alle ihn auslachten, weil er mit Hesiods ›Tage und Werke‹ oder Vergils ›Lied vom Landbau‹ in der Hand seine Leute aus ihren Schlafstätten jagte und dabei begeistert daraus zitierte: »Wenn das Gestirn der Plejaden, der Atlastöchter, emporsteigt, dann beginne die Ernte.« Die Bauern hatten auf die noch gelbgrünen Ähren verwiesen und geraten, noch eine Woche ins Land ziehen zu lassen. Was auch immer irgendwelche Atlastöchter dazu meinten, sie wollten sich doch lieber auf ihre Erfahrung verlassen.
    Die kleine Bibliothek, die zu erbeuten Arminius gelungen war, stellte seinen heimlichen Stolz dar. Zunächst hatte er versucht, Elda und Lenia zu lehren, lateinisch und griechisch zu lesen und zu schreiben, aber seine Frau war dem Unterricht bald schon unter dem Vorwand, ihre Arbeit erledige sich nicht von allein, ferngeblieben, sodass schließlich nur Lenia seiner Unterweisung folgte. Überhaupt entwickelte das Mädchen eine sehr enge Bindung an ihn.
    Manchmal war Elda ein bisschen eifersüchtig. Dann drohte sie und schimpfte: »Mach bloß aus meinem guten cheruskischen Mädchen keine Römerin!«
    Seine Liebe zu Lenia ging soweit, dass er auf die mahnende Frage seines Onkels Ingoumer nach einem Erben ernsthaft antwortete: »Wozu brauche ich einen Erben, wenn ich eine Erbin habe?« Im Stillen dachte er immer öfter darüber nach, wie er die anderen Fürsten zwingen konnte, Lenia als seine vollgültige Nachfolgerin anzuerkennen. Wenn er mit Elda darüber sprach, hauchte sie liebevoll gegen seine Stirn, als wolle sie das Hirngespinst fortblasen.
    »Nie werden sie eine Frau als deine Nachfolgerin akzeptieren. Nie! Lass uns lieber darüber nachdenken, ob sie Priesterin wird. Das ist die einzige Möglichkeit, dass sie unabhängig bleibt.«
    »Um so einsam wie Gana oder Nehalenia

Weitere Kostenlose Bücher