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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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jeder Ecke lauerten. Diese Stadt kannte weder Mitleid noch Erbarmen. Er war aus dem Bett gesprungen und hatte, nur mit einer Tunika bekleidet, Arminius’ Verfolgung aufgenommen. Kein Wunder, dass der alte Lüstling ihn als leichte Beute wegfangen ließ!
    Und das also sollte nun das große Abenteuer gewesen sein? Ein Ausflug in nächtliche und zu Recht übel beleumdete Gassen, bevor er dem widerlichen alten Kerl zu Willen sein musste, um anschließend auf dem Schindanger geworfen zu werden? Plötzlich erfasste den Knaben ein so großes Mitleid mit sich selbst, dass er in Tränen ausbrach. »Mutter!«, wimmerte er. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und der Mann betrat den Raum. Er lächelte zuckersüß, sein weichliches, verschwitztes Gesicht zerfloss in einem einzigen Lächeln, in dem seine Augen schwammen. In ihnen war nichts Klares, nichts Männliches, Germanicus fand darin nur Verschlagenheit und Heimtücke.
    »Ruf weiter nach deiner Mama, mein Täubchen. Ich hab es gern, wenn ihr nach eurer Mama ruft. Ich will dir einen schönen Tod gewähren«, sagte der Mann heiser und wedelte mit einer gelben Kordel vor den Augen des Jungen herum. »Sie ist aus Gold. Ich werde dich würgen, während wir uns vereinigen. Es ist zu schade, dass man nur einmal diesen Spaß miteinander haben kann. Aber so ist es nun mal. Lass es uns genießen. Hab keine Angst, ich bin erfahren.«
    Der Lüstling ließ seine Tunika fallen. Germanicus musste sich übergeben.
    »Macht nichts, macht gar nichts«, murmelte der Mann, während er sich dem Knaben näherte. Außer sich vor Entsetzen starrte Germanicus auf die ausgestreckten Hände, die ihm näher und immer näher kamen. Gleich würden die dicken Finger wie eine Herde Ferkel über seinen Köper wandern. Geifer troff ihm aus den Mundwinkeln, und seine Zunge zischelte wie eine Schlange. Dann stieß der alte Römer ein gurgelndes Grunzen aus und sank mit weit aufgerissenen Augen vornüber. Germanicus sprang rasch zur Seite, um dem massigen Leib auszuweichen. Plötzlich sah er Arminius vor sich. Er starrte erst ihn an und dann seinen bäuchlings vor ihm liegenden Peiniger. Tief in dessen Rücken stak das Messer des Arminius.
    »Komm!«, sagte er nur.

    Über dem nachtschwarzem Wasser des Tibers lag ein Teppich aus Sternenlicht. In einiger Entfernung ragte die Tiberinsel mit dem Heiligtum des Asklepios aus dem Fluss. Auf dem gegenüberliegenden Ufer erblickte Arminius den Vatikanischen Hügel und die Anhöhe des Janus, deren Friedhöfe und Parks sich hinter den Vorhang der Nacht verbargen. Er erhob sich beunruhigt und wollte schon zurück in den Fluss steigen, weil er befürchtete, dass ein Strudel Germanicus erfasst haben könnte. Doch da tauchte dieser endlich wieder auf und kroch ans Ufer. Lange war er im Fluss und unter Wasser geblieben, um das Erbrochene, um den ganzen Schmutz des Erlebnisses von sich abzuwaschen. Der Cherusker reichte dem nackten Jungen, der nur noch sein goldenes Amulett, die bulla, um den Hals trug, seinen Fellmantel. Germanicus hüllte sich darin ein, zog den Mantel fest um sich und genoss die Wärme, die vom Fell ausging und durch alle seine Poren ins Innere drang.
    »Ein schönes Fell.«
    »Bärenfell. Das Beste, was es gibt. Mein Vater hat den braunen Gesellen selbst erlegt und ihm eigenhändig das Fell über die Ohren gezogen.«
    Seltsam, aber diese Worte machten, dass sich Germanicus noch wohler in dem Mantel fühlte als ohnehin.
    »Wohin wolltest du eigentlich?«, fragte er.
    »Zu meinem Bruder.«
    »In die Prätorianerkaserne?«
    »Ja. Ich hatte mich erkundigt, sie liegt außerhalb der Stadtmauern.«
    »Und dann?«
    »Wollte ich mit ihm fliehen.«
    »Du wärest nicht weit gekommen!«
    Wütend sprang Arminius auf und wollte eine zornige Antwort geben, doch Germanicus lächelte nur: »Glaub mir. Es ist sinnlos. Du würdest bis an das Ende deiner Tage ein Gejagter bleiben, und deine Familie würde man töten. So geht man mit den Angehörigen flüchtiger Geiseln um, sie werden niedergemacht.«
    Arminius ließ den Kopf sinken. Daran hatte er noch nicht gedacht. Germanicus stand auf und nahm den fremden Jungen in den Arm. »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte er leise. Dann ließ er ihn los und wandte sich zum Gehen. »Komm, wir gehen zurück, bevor man merkt, dass wir nicht in unseren Betten liegen.«
    Widersprüchliche Gefühle ließen Arminius zögern.
    »Du wirst ein großer Fürst deines Volkes werden, wenn du von uns alles lernst, was man lernen

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