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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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gehört, blieb stehen und wandte sich misstrauisch und ängstlich um. Germanicus gelang es gerade noch, in ein Zimmer zu springen. Vorsichtig lugte er um die Ecke.
    In seiner grauen Hose und dem grauen Hemd durchquerte Arminius den Gang. Unter dem Arm trug er seinen Fellmantel. Alles, was er besaß, hatte er also bei sich. Das konnte nur eines bedeuten, nämlich dass er zu fliehen beabsichtigte. Germanicus überlegte kurz, ob er Alarm schlagen sollte, aber er fühlte sich bei dem Gedanken nicht recht wohl. Er musste es selbst und allein schaffen, den Barbaren von dem dummen Plan abzubringen, die größte Chance seines armseligen Lebens zu vertun. Schließlich war er der Sohn eines Feldherrn und kein Denunziant. Hatte er dem Augustus denn nicht versprochen, sich um den germanischen Fürstensohn zu kümmern, ihm zu helfen, ihn zum Römer zu bilden? Germanicus beschloss, Arminius zu folgen.
    Da drang ein rhythmisches Stöhnen, ob aus Qual oder Wohlbehagen konnte er nicht ausmachen, an sein Ohr. Das Geräusch wurde lauter. Arminius musste es ebenfalls vernommen haben, denn er blieb stehen. Germanicus verbarg sich hinter einer Ecke, denn inzwischen verführte ihn vollends die Aussicht auf ein großes Abenteuer, dass sich hier ganz offensichtlich anbahnte. Jetzt konnte er Arminius auch deutlich erkennen. Im verschwenderischen Umgang von Licht und Schatten modellierte der Schein der blakenden Fackeln die Züge seines zunächst verwunderten, dann aber bald schon angeekelten Gesichtes gespenstisch nach. Nach einer Weile riss sich der junge Cherusker von dem Anblick los und ging schnellen Schrittes weiter. Dabei schüttelte er sich unwillkürlich. Germanicus folgte ihm. Im Vorbeigehen warf auch er einen Blick in das Zimmer. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er gerade beobachtet hatte.
    Es war nicht das erste Mal, dass sich dem Jungen eine solche Szene bot. Er war damit aufgewachsen, dass alle von Tugenden sprachen und sich dabei paarten wie die Böcke. Diesmal vergnügte sich eben Tiberius, der nackt und vom Weine erhitzt, mit stumpfer Lust in einen sehr jungen Sklaven drang. Also strebte das Festmahl seinem Höhepunkte zu, und Tiberius hatte das Essen und Trinken für ein anderes Vergnügen kurzzeitig unterbrochen. Trotz seine Jugend wusste Germanicus, dass sein Vater Drusus – darin dem Augustus nahe – nichts für Knaben übrig hatte. Ansonsten aber gehörte es in Rom zur Normalität, dass sich Männer mit Männern, lieber aber noch mit Knaben abgaben. Die Genießer unterschieden sich nur darin, ob sie für jene Jünglinge schwärmten, denen noch kein Bart wuchs, oder für jene, denen bereits der erste Bart spross.
    Der angewiderte Gesichtsausdruck des Arminius hatte Germanicus verraten, dass jener davon noch nichts wusste. Oder schätzten die Barbaren die Liebe zum eigenen Geschlecht am Ende überhaupt nicht? Germanicus selbst war allerdings bei Weitem zu jung und zu behütet aufgewachsen, um das, was er wusste, auch zu kennen. Er erinnerte sich daran, dass seine Eltern auf dem Weg an die Albis einmal, als sie glaubten, er schliefe, über diese Dinge gesprochen hatten. Sie bedauerten, dass Tiberius, seit er auf Befehl des Augustus seine geliebte Frau verlassen musste, Trost zwischen den Hinterbacken von Lustknaben suchte. Was für ein tristes Geschäft, hatten sie gesagt. Und das lauschende Kind war mit der großen Frage zurückgeblieben, weshalb sie die Hinterbacken von Knaben traurig fanden. Germanicus wusste es bis heute nicht, obwohl die Gestalt seines Onkels wenig Freude ausstrahlte, aber froh hatte er ihn ohnehin noch nie gesehen. Er wischte diese Gedanken, die ihn überfallen hatten, fort und konzentrierte sich ganz darauf, den flüchtenden Barbaren zu verfolgen, ohne dass dieser ihn entdeckte. Seine Abenteuerlust wuchs.
    Vor ihnen lag ein weiterer Innenhof, der zum Tablinum und von da aus zum anschließenden Atrium führte. Arminius schaute sich vorsichtig um. Auf Zehenspitzen schlich er an dem angeketteten Pfortensklaven vorbei. Germanicus folgte ihm. Kaum auf die Straße gelangt begann Arminius zu laufen, Germanicus folgte im gebührenden Abstand – zwei Jungen um Mittenacht in Rom unter einem klaren Sternenhimmel. Kaum konnte der Römer mithalten, so schnell flitzte der junge Cherusker, so sehr trieb es ihn fort, einem unbekannten Ziele zu. Germanicus ließ sich nicht abhängen und blieb doch unbemerkt. Sie eilten vorbei an der Aula, in der Drusus aufgebahrt lag. Würde der Vater stolz sein auf

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