Arminius
Trottel, die ihren dumpfen Kopf nicht aus der Vergangenheit bekommen, sondern mich, der ich die neue Zeit sehe und nutzen werde, zu unser aller Nutz und Frommen. Morgen brechen wir auf an den Rhenus zur Stadt der Ubier.
Aber heute feiern wir. Schlachtet ein Schaf, und holt Met aus den Vorratskammern. Heute wollen wir es uns gut gehen lassen! Begrüßen wir die neue Zeit mit dem Frohsinn, der ihr zukommt!«
Jubel brandete auf. Während alle mit großer Freude Hand anlegten, um das Fest vorzubereiten, trat Segestes zu seiner Tochter. Er lächelte sie an, wohl das erste Mal seit Jahren.
»Komm, meine Tochter. Ich möchte mit dir reden. Nein, hab keine Angst, ich will nur reden, wie ein Vater mit seiner Tochter redet.« Innerlich auf der Hut erhob sie sich und folgte ihm hinaus.
Vater und Tochter schritten über den Hof und nahmen den Weg zum Wald hinunter. Die Sonne neigte sich schon zu den Wipfeln der hohen Eichen und würde bald hinter ihnen verschwinden. Aber noch besaß sie Kraft und liebkoste mit ihrer milden Wärme Eldas Gesicht. Bis jetzt waren sie schweigend nebeneinander hergegangen. Elda spürte, dass der Vater nach den richtigen Worten suchte. Seine unerwartete Verlegenheit rührte sie fast. Plötzlich blieb er stehen und wandte sich zum Hof um. Er sprach so leise, dass sie erst nach einer Weile begriff, dass er bereits zu reden begonnen hatte.
»Unsere Vorfahren sind vom Land jenseits der Albia hierhergekommen und haben dort oben eine kleine Hütte errichtet. Warum sie fortgegangen, warum sie hierher gekommen sind, weiß ich nicht. Aber die Götter haben sie sicher geführt, sie haben unsere Ahnen beschützt. Was glaubst du, aus welchem Grund, Elda?«
»Weil sie den Göttern opferten und sich an ihre Gesetze hielten?«
»Das haben andere auch getan, und dennoch sind sie und ihre Stämme untergegangen. Du bist klüger als deine Brüder, du hast einen regen Verstand. Sag mir, wenn zwei Gefolgsherren in der gleichen Weise den Göttern opfern und sich an ihre Weisungen halten, der eine aber mit seiner Familie zu Reichtum und Ansehen kommt und der andere in Elend und Leid versinkt, woran liegt das wohl? Die Götter müssten doch beide gleich begünstigen.«
»An den Nornen. Selbst die Götter fürchten diese mächtigen Frauen«, mutmaßte Elda.
»Aber wonach richten sich die Nornen? Warum weben sie dem einen diesen Schicksalsfaden und dem nächsten einen anderen, dem einem zum Gelingen, dem anderen zum Verderben?«
»Das können wir nicht wissen.«
»Komm, meine kluge Tochter. Endet hier bereits deine Weisheit? Mein Verstand arbeitet viel langsamer, aber ich habe darüber nachgedacht, Jahr für Jahr, warum das so ist. Immer wieder!« Sie sah ihn erstaunt an.
»Ich habe lange gebraucht, um es zu verstehen, aber dann war es schließlich ganz einfach. Weil die einen etwas Neues wagen, während die anderen nur das Bewahren wollen, was früher einmal das Neue war, inzwischen aber das Alte ist. Verstehst du, alles Alte war einmal etwas Neues. Und diejenigen, die klug genug waren, das Neue zu erkennen, und stark genug, es auch durchzusetzen, haben überlebt und wurden reich und angesehen.«
Segestes klopfte ihr mit dem Knöchel seines gebogenen Zeigefingers schmerzhaft gegen die Stirn, als wollte er ihr den Gedanken einhämmern. Dann ließ er von ihr ab und wandte seinen Blick dem Hof zu. Wehmütig, wie es ihr schien, starrte er auf sein Anwesen. Plötzlich spürte Elda, dass es ihr das erste Mal gelingen könnte, den Vater zu verstehen.
»Hat also das, was wir gestern gelebt haben, heute keinen Wert mehr? Ist unsere Lebensweise, sind unsere Bräuche und Vorstellungen überholt?«, fragte sie.
»Nicht alles, aber manches.«
»Was, Vater, was ist anders geworden?«
Er zögerte mit seiner Antwort, sein Unterkiefer mahlte lautlose Worte. Sie sah ihm an, wie er mit sich rang. Doch dann fasste Segestes den Entschluss, seine Tochter in seine Zukunftspläne einzuweihen. Weshalb sollte er schweigen, wo ihn niemand mehr aufhalten konnte? Sollte sie eben die Wahrheit erfahren. Sie würde sich ohnehin daran gewöhnen müssen, zumal sie eine Rolle in seinem Spiel einnahm.
»Wisse, meine Tochter, die Zeit der Könige ist angebrochen. Die Cherusker werden nur groß und mächtig werden, wenn sie sich starken Königen fügen und mit den Römern zusammenarbeiten.«
»Was ist mit Marbod?«
Ja, was war mit dem mächtigen Herrscher der Markomannen, der weit weg am Oberlauf der Albia ein mächtiges Königreich
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