Arminius
seinem Namen und achtete darauf, ihn mit diesem anzusprechen.
Inzwischen war Elda zweiundzwanzig Jahre alt und hatte seit geraumer Zeit allen Versuchen ihres Vaters, sie zu verheiraten, erfolgreich getrotzt. Ihre Widerspenstigkeit hatte sich unter den Cheruskern herumgesprochen. Den einen Bewerber hatte sie vergrault, den anderen zum Gespött gemacht. Sie musste kaum mehr befürchten, dass noch jemand um sie freien würde. Scheinbar hatte auch ihr Vater schweren Herzens eingesehen, dass es vergeblich war, nach einem Mann für sie zu suchen, zumal sie inzwischen ohnehin zu alt dafür war. Vor fünf, sechs Jahren war sie im besten Alter für eine Ehe gewesen. Aber alle jungen Männer, die für sie infrage kamen, hatten mittlerweile andere Bräute gefunden. Segestes hatte getobt und geflucht, die Tochter eingesperrt, sie hungern lassen und sie einmal sogar geschlagen, aber nichts konnte ihren Willen brechen.
Die Winter gingen ins Land und wurden vom Frühling vertrieben, der Sommer zog vorüber, und wie in jedem Herbst begaben sich die Cherusker, als die Ernte eingefahren und das Erntedankfest gefeiert war, zum Thingplatz. Wie immer zog es Elda dort zu der Senke, die der Bach durchteilte. Sie ließ sich im Gras nieder, schloss die Augen und dachte an Ergimer. In diesen einsamen Momenten sah sie ihn wieder vor sich, wie er in den Bach fiel, wie er sie verfolgte, sie warnte, zur Flucht aufforderte und die Römer von ihr ablenkte, bis er schließlich selbst von ihnen gefangen genommen wurde. Wenn sie die Augen wieder öffnete, lag die Wiese trist vor ihr, und nichts deutete mehr auf den Freund hin. Oft fragte sie sich, wie er jetzt wohl aussah, wenn er überhaupt noch lebte. In ihren Träumen war er immer noch ein Knabe und sie ein kleines Mädchen, in ihren Träumen war die Zeit stehen geblieben. Elda liebte ihre Träume und flehte die Schicksalsgöttinnen an, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Längst war ihr Leben in zwei Teile zerfallen, die Zeit vor dem Tag am Bach, an dem Ergimer geraubt wurde, und die endlos langen Zeit danach, die immer noch anhielt. Die Schuld daran trug kein anderer als ihr Vater.
Auf dem alljährlichen Thing verbrachte Elda fast die ganze Zeit im Lager bei Ergimers Mutter. Lanina erinnerte sie an den Freund, und es tat Elda gut, mit einem ihm so nah verwandten Menschen zusammen zu sein. Dabei blies sie nicht ständig Trübsal, sondern ritt und focht, kochte und nähte, lachte und sang. Vor allem im Reiten und Kämpfen übte sie sich, obwohl sie das nur heimlich konnte, denn ihr Vater hätte das nicht gebilligt. Aber wenn die Traurigkeit sie überfiel wie ein Schwarm Krähen, die plötzlich den Himmel verdunkelten, vermochte nicht einmal Ansar sie aus ihrer düsteren Sehnsucht zu befreien.
Obwohl sie Nehalenia selten sah, hatte Elda dennoch das Gefühl, dass sie sich in ihrer Nähe aufhielt. Vielleicht hielt ja die weise Frau schützend ihre Hand über sie, denn bei allem Zwang, den Eldas Vater auf seine Tochter ausübte, hatte er eine bestimmte Grenze doch nie überschritten.
Eines Mittags traf ein römischer Bote ein. Segestes empfing ihn sogleich. Die beiden Männer schritten lange nebeneinander her und unterhielten sich. Als sie zurückkamen, bestieg der Bote wieder sein Pferd. Beim Abschied sagte Segestes: »Lass Saturninus wissen, dass wir kommen werden.«
»Salve!«, rief der Bote und ritt los. Segestes sah ihm mit einem triumphierenden Blick nach. Alles fügte sich bestens.
Wenig später versammelte er seine Familie im Haus. Elda musterte ihren Vater, wie sie es immer in diesen Momenten tat, um das, was auf sie zukam, vorauszuahnen und sich innerlich gegen die Launen des Fürsten zu wappnen. Aber er wirkt gelöst, so als sei er seinen Zielen und Wünschen bedeutend näher gekommen. Feierlich schaute er in die Runde, dann zwang er sich zur Ruhe, um gemessen zu sprechen.
»Heute ist ein Feiertag für uns. Die Römer werden am Rhenus in der Stadt der Ubier einen Altar für ganz Germanien einweihen, als mächtiges Zeichen dafür, dass wir von nun an zum Reich gehören. Das wird ein weithin sichtbares Zeichen des Friedens sein. Ja, ihr, meine Blutsverwandten, Gefolgsleute und Knechte, wir Cherusker werden dazugehören. Wir werden Germanen und Römer sein.
Der römische Legat für die Provinz Germania hat nun zur Weihe der Ara Ubiorum die wichtigsten Fürsten der germanischen Stämme eingeladen, und als Einzigen von den cheruskischen Gefolgsherrn mich. Nicht Segimer oder die anderen
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