Arminius
aufgerichtet hatte und nun seine eisernen Finger nach Norden und Süden, nach Osten und Westen ausstreckte, was war mit dem ersten germanischen König, den die anderen Stämme und auch die Römer fürchteten?
Segestes lachte laut auf. »Marbod? Marbod?«, rief er höhnisch aus. »Er ist der beste Beweis dafür, dass die Zeit der Könige angebrochen ist. Und dafür, dass ich recht habe. Ohne den Schutz der Römer würde er uns eines Tages zu seinen Untertanen machen. Aber er beweist auch in anderer Hinsicht die Richtigkeit meines Denkens, denn er wird untergehen, der große König, weil er gegen die Römer handelt, sich nicht mit ihnen verbündet, selbst größer als die Römer sein will. Doch der Bär bricht dem Wiesel das Genick. Nein, Marbod wird von den Römern gefällt werden. Er ist ihnen schon zu mächtig geworden.
Das Heil der Cherusker liegt in der Freundschaft mit den Römern. Von ihnen müssen wir lernen. Sie bringen das Neue. König unseres Stammes wird, wer die Cherusker den Römern zuführt.«
Es verschlug ihr den Atem. Plötzlich begriff sie, worauf der Vater all die Jahre hingearbeitet hatte.
»Hast du deshalb dafür gesorgt, dass Germir und Ergimer nach Rom verschleppt wurden?«
»Die Cherusker werden keinen Mann ohne Erben wählen. Segimers Sippe vergeht, ein entlaubter Stamm. Einer, der am Alten hängt und deshalb mit dem Alten untergeht.«
»Deshalb also! Er war dein stärkster Gegner unter den Gefolgsherren, deshalb hast du ihm die Kinder nehmen lassen, um ihn zu vernichten.«
Eisige Schauer jagten ihr über den Rücken. Der Plan ihres Vaters war aufgegangen. Seit diesem verhängnisvollen Tag war Segimer ein gebrochener Mann. Mit einer einfachen List hatte Segestes den mächtigen Fürsten wie eine Eiche gefällt. Er hatte ihm seine Zukunft, er hatte ihm seine Kinder genommen, den Sinn seines Lebens.
»Welch dämonische List, die im Inneren des Herzens eine Wunde geschlagen hat, an der er langsam, aber sicher verblutet«, sagte sie voller Abscheu.
Aber das traf Segestes nicht, weil es ihn nicht scherte, was seine Tochter dachte. Er packte ihren blonden Haarschopf, riss ihren stolzen Kopf nach hinten und beugte sich über sie.
»Ich musste die beiden aus dem Weg schaffen. Was hätte ich dafür gegeben, solche Söhne zu haben! Du weißt, dass deine Brüder nichts taugen. Schwerfälliges Vieh, der schlechtere Teil meines Samens – und der bessere Teil bringt ein Mädchen hervor! Geschlagen war ich!«
Er ließ sie los. Sie taumelte, fing sich und trat einen Schritt zurück. Er schaute sie mit harten Augen an und lachte kehlig.
»Am Ende ist es sogar ganz gut, dass du dich jedem Freier widersetzt hast. Du wirst mir einen Erben zur Welt bringen, meinen Enkel, der eines Tags über Germanien herrschen wird. Und weißt du auch, wer der beste Erzeuger für meinen Erben wäre?«
Elda schwindelte. Sie ahnte, was er sagen würde.
»Ein römischer Senator oder Prinz«, fuhr Segestes gnadenlos fort. »Die Könige Germaniens, hervorgegangen aus der Mischung des besten Bluts der Römer und der Cherusker! Das ist die Zukunft!«
Entsetzt und ratlos schickte Elda noch in der Nacht Ansar mit einer Nachricht zu Nehalenia.
Als der Tag anbrach, bestiegen Frauen und Männer die Pferde und wollten losreiten.
»Wo ist denn unser unvermeidliches und ach so emsiges Frettchen abgeblieben?«, rief Segestes mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. »Auch gut, wenn der überflüssige Fresser weg ist«, setzte er hart hinzu, bevor Elda sich eine Ausrede ausdenken konnte, und gab das Signal zum Aufbruch.
Elda erschrak. Ihr kam der Verdacht, dass Ansar ihrem Vater in die Arme gelaufen war und Segestes ihn getötet hatte, weil er nichts mehr fürchtete, auch Nehalenia nicht, denn die weise Frau gehörte zum Alten, auf das er keine Rücksicht mehr zu nehmen glaubte.
18
Während des langen und beschwerlichen Ritts zur Stadt der Ubier, dem Oppidum Ubiorum, fühlte sich Elda schmerzlich hin und hergerissen zwischen der Sorge um ihren verschwundenen Gefährten und dem Staunen über die vielen unbekannten Eindrücke, die auf sie einstürmten, seitdem sie den Rhenus erreicht hatten. Zum ersten Mal in ihrem Leben erblickte sie einen so mächtigen Strom, betrat eine Stadt, die sie bis dahin nur aus den Geschichten vorbeireisender Kaufleute kannte und die sie für Übertreibungen gehalten hatte. Als sie nun die gemauerten Häuser betrachtete, stellte sich nichts von dem, was ihr erzählt worden war, als übertrieben
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