Arminius
Die Zelte wurden aufgestellt und mit einer schützenden Palisadenwand umgeben.
Germanicus und Arminius nutzten die Zeit für einen Spaziergang im Wald. Germanicus erzählte dem Freund von seiner Lehrzeit in Germanien, die er zunächst bei Marcus Vincius, dann bei Sentius Saturninus verbracht hatte. Er berichtete Arminius von den Städten, die links des Rhenus entstanden, über die festen Legionslager auf der rechten Seite des Flusses, über die Straßen, die sie dort anlegten, über das Zusammenleben mit der örtlichen Bevölkerung, aber auch über die kleineren Aufstände, die noch vor ein paar Jahren immer wieder aufgeflackert und, so schnell sie aufloderten, niedergeschlagen worden waren.
»Es entspricht nicht unserer Lebensart, Herren zu dulden. Und erst recht nicht, Steuern zu zahlen«, meinte Arminius lachend.
»Die Ubier, die Chatten und auch viele Cherusker haben eingesehen, dass sie mit den Segnungen unserer Kultur besser leben.«
»Römische Kultur und germanische Tugenden, römische Ordnung und germanische Kraft könnten etwas völlig Neues schaffen. Ich habe im Osten gesehen, wie nutzlos der ewige Krieg der Armenier gegen die Parther ist. Und auch die Parther werden nicht glücklich im Kampf gegen Rom. Dieser ewige Krieg saugt ihnen die Kraft aus. Meinst du, Kerls wie wir können ein neues Germanien schaffen?« Arminius lachte verwegen.
»Wer, wenn nicht wir, Bruder?« Germanicus stimmte in das Lachen ein. Doch plötzlich verstummten beide, denn sie hörten, wie Männer durchs Unterholz brachen. Sie wollten schon ihre Schwerter ziehen, da kam ein Legionär zum Vorschein.
»Ich hab sie gefunden!«, brüllte er. Dann ging er zu den beiden Freunden und salutierte. »Der Imperator will euch sofort sehen!«
Germanicus und Arminius warfen sich einen überraschten Blick zu, bevor sie in Richtung des Lagers eilten. Dort trafen sie Tiberius in seinem Zelt an. Inmitten seiner Offiziere saß er mit sorgenvollem Gesicht auf seinem Sessel. Die Stimmung befand sich offenbar auf dem Tiefpunkt. Die Züge des Imperators wirkten wie grob gemeißelt, der Feldherr sah aus wie eine schlecht gelungene Statue seiner selbst. Langsam hob er den Kopf und sah die beiden jungen Männer an. Als er sprach, bewegten sich seine Lippen kaum: »Pannonia brennt!«
»Ein Aufstand in Pannonia?«, rief Germanicus entsetzt.
Velleius antwortete für den Feldherrn: »Ja, das ganze Land hat sich gegen uns erhoben, den Statthalter vertrieben und unsere Garnisonen gebrandschatzt. Augustus fürchtet, dass die Aufrührer, wenn sie erst Herr in ihrem Land sind, die Landverbindung nach Achaia und von dort in den ganzen Osten blockieren könnten.«
»Und damit nicht genug«, fiel ihm Tiberius ins Wort, »Aquileia liegt zum Greifen nahe. Wer sagt uns, dass sie nicht ihre Räuberhand nach der Stadt ausstrecken und dann nach Bononia? Und dass sie nicht von dort aus auf Rom zumarschieren?«
»Wir müssen den Feldzug also abbrechen«, stellte Arminius nüchtern fest.
Es hatte sich für Marbod gelohnt, sich nicht ins eigene Schwert zu stürzen. Zaubern konnte er sicher nicht, aber das unverschämte Glück, das ihm zuteilwurde, konnten nur die Götter gewährt haben. Warum straften sie uns?, fragte sich Arminius. Er sah dem Feldherrn an, wie sehr es ihn quälte, den großen Sieg wegwerfen und stattdessen zwei oder drei aufständische Provinzen befrieden zu müssen.
Tiberius erhob sich und ging auf Germanicus zu. In seinem Blick lagen Ruhe und die gewohnte Trauer. Er hatte sich mit der Situation bereits abgefunden.
»Du, mein Sohn, wirst zu Maroboduus reiten und einen Friedensvertrag aushandeln. Wir brauchen Ruhe in unserem Rücken. Das weiß auch der Markomanne. Er ist schlau. Er wird den Preis so hoch treiben, wie es irgend geht. Sieh zu, was du ausrichten kannst. Komm nicht ohne Frieden zurück, aber zu annehmbaren Bedingungen. Velleius und Arminius werden dich begleiten. Arminius sollte noch ein Gefühl für das Denken seiner Brüder haben. Viel Glück! Caecus wird zu Saturninus reiten. Er soll umgehend mit den Legionen an den Rhenus zurückkehren und wachsam sein, dass sich der Brand des Aufstandes nicht auf Germanien ausbreitet. Beeilt euch, wir müssen Geschenke verteilen, mit der liebenden Hand und dem scharfen Schwert, je nachdem.«
Sie alle wussten, was auf dem Spiel stand – die Sicherheit Roms. Wenn sich der pannonische Aufstand auf das ganze Illyricum, auf die Dalmatica und Moesia ausweitete, wenn Maroboduus die Gunst der Stunde
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