Arminius
nutzen und sich mit den Westgermanen verbünden könnte, die über den Rhenus drängen und die nun schwächeren Truppen in der Germania angreifen würden, ja, wenn auch unruhige Elemente in der Belgica und der Gallia Lugdunensis sich ermuntert fühlten, dann fiele das Reich wie ein Kartenhaus in sich zusammen!
Sie alle wussten, was auf dem Spiel stand, und der Schlüssel hieß Maroboduus. Wie würde er sich verhalten? Selten lastete ein größeres Gewicht auf den Schultern von Gesandten als auf denen der drei römischen Offiziere.
20
Sie jagten auf ihren schnellen Pferden dahin. Die Landschaften flogen an ihnen vorbei. Auf einer Straße brachten sie schräg eingegrabene Spieße zum Stehen. Sogleich erschien ein Trupp Markomannen. Bevor der Anführer etwas sagen konnte, teilte ihm Arminius mit befehlsgewohnter Stimme auf Germanisch mit, dass Julius Claudius Nero Germanicus, Velleius Paterculus und Julius Caesar Arminius König Maroboduus zu sprechen wünschten.
»Wer sagt uns, dass ihr keine Spione seid, die nur unsere Verteidigungsstellungen ausspionieren wollen?«
»Unser Rang, Dummkopf. Meinst du, dass Militärtribunen als Kundschafter durch die Landschaft schleichen? Tiberius schickt uns!«
Arminius konnte deutlich sehen, wie es im nicht allzu hellen Kopf des Anführers arbeitete. Das listige Lächeln, das sich in seinem dümmlichen Gesicht ausbreitete, rührte Arminius fast. Oh ihr Götter, der Gimpel hatte eine Idee!
»Ich schicke einen Boten zum König, soll er entscheiden.« Doch so schnell, wie der Gedanke in seinem Kopf aufgeleuchtet war, erlosch er auch wieder. Erneut machte sich Ratlosigkeit in seiner Miene breit. »Aber wer von meinen Männern könnte sich eure Namensungetüme merken?«
Arminius barst beinahe vor Zorn. Es ging um eine Angelegenheit von weltpolitischem Ausmaß, und sie scheiterten womöglich mit ihrer Mission, weil diese Trottel sich keine römischen Namen merken konnten.
»Dann sag ihm eben, dass Germanicus ihn sprechen möchte. Kann sich das einer von deinen Männern merken?«
Das Strahlen kehrte in das Antlitz des Markomannen zurück. Erleichtert zog er den Rotz hoch und spuckte ihn aus.
»Das geht. Gerbod, reit zum König, und sag ihm, bei mir wartet ein Römer mit Namen Germanigos, der ihn sprechen will.« Der Angesprochene sprang auf das Pferd und ritt los.
»Wie lange wird es dauern?«, fragte Arminius.
Der Markomanne wollte schon antworten, biss sich aber noch rechtzeitig schmerzhaft auf die Zunge, verzog kurz das Gesicht und setzte wieder die Miene auf, die er für klug hielt.
»Du glaubst wohl, du kannst mich an der Nase herumführen. Ich verrate dir doch nicht, wie lange Gerbod braucht, damit du weißt, wie weit die Burg des Königs entfernt ist!«
Er ließ ein schallendes Gelächter hören, in das seine Leute einfielen. Arminius konnte nur noch die Augen verdrehen und in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Bedauern zu seinen beiden Begleitern schauen.
Inzwischen hatte sich der Anführer wieder beruhigt und meinte, sichtlich angetan vom eigenen Scharfsinn, versöhnlich: »Steigt schon ab von euren Gäulen. Ihr müsst ja nicht die nächsten zwei Stunden im Sattel zubringen.«
Er hatte nicht gelogen. Zwei Stunden später war Gerbod zurück und rief schon von Weitem: »Der König hat befohlen, Manigos und seine beiden Begleiter zu ihm zu bringen. Aber wir müssen ihnen die Augen verbinden. Sie sollen unsere Verteidigungsanlagen nicht sehen.«
Arminius informierte seine beiden Gefährten.
»Sie könnten uns aber auch etwas vorgaukeln und uns unterwegs erstechen«, wandte Velleius ein.
»Oder uns als Geiseln nehmen«, fügte Germanicus hinzu.
»Keine Angst, darin habe ich bereits Erfahrung, großer Manigos«, ulkte Arminius mit Galgenhumor. »Aber ich fürchte, wir müssen das Risiko eingehen.« Innerlich widerstrebend ließ er sich als Erster die Augen verbinden.
»Begeben wir uns in die Hände der Parzen«, seufzte Velleius und hielt den Kopf hin.
»In deren zartfühlenden Händen befinden wir uns ohnehin«, lachte Germanicus unbekümmert, und man hätte ihn in seinem schönen Leichtsinn für den ewig jugendlichen Gott Apollon halten können.
Sie kamen rasch voran, weil sich je ein Markomanne hinter ihnen aufs Pferd setzte, um das Tier zu führen. Allerdings kam Arminius die Zeit, die sie ritten, wie eine Ewigkeit vor. Nicht nur, weil sich in der Dunkelheit die Zeit dehnte, sondern auch weil ihm der faulige Atem des Markomannen hinter ihm langsam aber
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